Firmen gegen Volk

Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg lehnen Klima-Volksentscheid ab

Nein zum Klima-Volksentscheid: Unternehmensverbände lehnen ein mögliches Gesetz zur Klimaneutralität Berlins bis 2030 ab.
Nein zum Klima-Volksentscheid: Unternehmensverbände lehnen ein mögliches Gesetz zur Klimaneutralität Berlins bis 2030 ab.

»Wir erwarten weniger Streit und mehr Einigkeit, wenn es um die entscheidenden Fragen für die Wirtschaft geht«, so sagt Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Bei der Jahrespressekonferenz der Unternehmensverbände am Dienstag zeigt er sich zuversichtlich im Hinblick auf die zu erwartende schwarz-rote Regierung in Berlin.

Ergebnisse der UVB-Konjunkturumfrage für 2023
  • Die Unternehmensverbände Berlin-Bran­den­burg (UVB) rechnen mit einer wirtschaftlichen Erholung bis 2023.
  • Die aktuelle Situation beurteilt etwa die Hälfte der Unternehmen als sehr gut und gut, die andere Hälfte als mittelmäßig bis schlecht.
  • Zuversichtlich zeigen sich zum Beispiel Metall- und Elektroindustrie sowie Pharmaindustrie, pessimistisch äußern sich unter anderem Chemie- und Bauindustrie.
  • Vor allem die Industrie kämpft mit den hohen Energiepreisen, der Handel leidet unter Infla­tion und wachsendem Onlinemarkt.
  • Die Unternehmensverbände äußern die vor­sich­tige Prognose, dass der Region eine wirtschaftliche Rezession erspart bleibe: In Berlin rechnet man mit einem kleinen Plus des Wirtschaftswachstums von 0,5 Prozent, in Brandenburg mit einem Plus von 1,0 Prozent.
  • Die Unternehmen geben Fachkräftemangel, Inflation, hohe Zinsen und Lieferengpässe als größte Risiken für die Wirtschaft 2023 an.
  • Ein echter wirtschaftlicher Aufschwung bleibt laut Unternehmensverbänden voraussichtlich aus. Von einem solchen spreche man ab einem Wirtschaftswachstum von 2,0 Prozent. loz

    Eine dieser entscheidenden Fragen ist für Amsinck die Novelle der Bauordnung. Diese sei wegen der Zerstrittenheit der aktuellen Regierung bislang liegen geblieben, doch nun gebe es die Chance, durch die Novelle eine deutlich schnellere Genehmigung von Bauvorhaben zu ermöglichen.

    »Die Bauordnung sollte entschlackt werden, damit schneller gebaut werden kann«, sagt Amsinck. Dazu sollte laut UVB-Hauptgeschäftsführer eine Genehmigungsfiktion eingeführt werden. Das heißt, wenn Anträge von den Behörden nicht innerhalb einer bestimmten Frist bearbeitet werden, dann gilt eine Genehmigung automatisch als erteilt.

    Bisher scheiterte die geplante Novellierung der Bauordnung an Bausenator Andreas Geisel (SPD), der die vorgesehenen Naturschutzvorgaben ablehnte. Man dürfe das Bauen durch ökologische Vorgaben wie eine vorgeschriebene Dachbegrünung nicht noch schwieriger und teurer machen, so hieß im vergangenen Jahr von Geisel. Ohne Linke und Grüne in der Berliner Regierung können die Unternehmen nun darauf hoffen, von solchen Vorgaben verschont zu bleiben.

    Zufrieden zeigt sich Amsinck mit den in Aussicht stehenden bis zu 10 Milliarden Euro, die CDU und SPD für den Klimaschutz zur Verfügung stellen wollen. »Davon muss Geld in die Transformation der Wirtschaft fließen. Wir haben viele Ideen, wie es sinnvoll eingesetzt werden kann«, sagt der UVB-Hauptgeschäftsführer. Wenn die Unternehmen das Geld bekommen, um zum Beispiel in ressourcenschonende Produktion durch digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz zu investieren, dann würde dadurch ein Multiplikatoreffekt erreicht, durch den andere ebenfalls in klimaschützende Produktion investieren, so Amsinck. »Die Firmen sind bereit, Angebote anzunehmen«, sagt er.

    Wozu die Unternehmensverbände allerdings nicht bereit sind, ist, ein Gesetz zu unterstützen, durch welches Berlin bis 2030 klimaneutral werden müsste. »Wir lehnen den Volksentscheid ab«, sagt UVB-Hauptgeschäftsführer. Zielgerichtete Investitionen in die Wirtschaft würden den Klimaschutz schneller und cleverer voranbringen als ein solches Gesetz. »Klimaneutralität bis 2030 ist weder technisch noch finanziell noch politisch erreichbar. Das wissen alle, auch wenn es nicht alle sagen«, so Amsinck. Berlin müsste dafür zum Beispiel 13 Milliarden jährlich in die Sanierung der Wohnhäuser investieren und das Geld dafür alleine aufbringen, weil Bund und EU an der Klimaneutralität bis 2045 festhielten.

    Dass die Unternehmensverbände keine großen Freunde des Berliner Volkswillens sind, zeigt sich auch in ihrer Haltung zum Volksentscheid »Deutsche Wohnen und Co enteignen«. Das Enteignungsszenario hänge wie ein »Damoklesschwert« über der Stadt, so Amsinck, und würde für Misstrauen bei den Unternehmen sorgen. So sei es schwerer, diese für den Klimaschutz zu gewinnen. »Das ist atmosphärisch schwierig«, sagt er.

    Nicht nur die beiden aktuellen Volksentscheide führen zu Unverständnis bei den Unternehmen. Sogar der fast zehn Jahre alte Volksentscheid zur Erhaltung des Tempelhofer Feldes wird von UVB-Hauptgeschäftsführer angegangen. »Wir brauchen mehr Fläche zum Bauen«, sagt Amsinck und zeigt sich offen für eine Randbebauung des ehemaligen Flughafengeländes: »2014 gab es ganz andere Rahmenbedingungen als jetzt.« Er schlägt deshalb vor, eine erneute Befragung der Stadtbevölkerung durchzuführen.

    Wie gegenüber den Volksentscheiden gehen die Unternehmensverbände auch gegenüber der von der aktuellen rot-grün-roten Koalition geplanten Ausbildungsplatzabgabe in eine Abwehrhaltung. »Unternehmen dafür zu bestrafen, dass sie keine Auszubildenden finden, ist ungerecht«, sagt Amsinck. Geplant war, dass Betriebe eine Sonderabgabe zahlen müssen, wenn sie nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Die UVB appellieren nun an CDU und SPD, diese Abgabe nicht einzuführen.

    Das Problem unbesetzter Ausbildungsplätze liegt laut UVB bei den jungen Leuten, die nicht die richtigen »Startvoraussetzungen« für den Berufseinstieg mitbringen. Schließlich koste es die Unternehmen reichlich Geld, auszubilden, deshalb erwarte man geeignete Auszubildende.

    Dass es an diesen mangele, liege an der unzureichenden Berufsvorbereitung in den Schulen. »Spätestens ab der siebten Klasse braucht es eine verbindliche Berufsorientierung«, fordert Amsinck. Außerdem brauche es Lernstandserhebungen und individuelle Förderungen schon ab der dritten oder vierten Klasse.

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