Kommunisten in Russland schließen Kriegsgegner aus

In Russland werden die letzten Kriegsgegner aus dem legalen Parteispektrum rausgedrängt

  • Ewgeniy Kasakow
  • Lesedauer: 3 Min.
Jewgenij Stupin hat in den vergangenen Jahren immer wieder mit Protestaktionen auf sich aufmerksam gemacht.
Jewgenij Stupin hat in den vergangenen Jahren immer wieder mit Protestaktionen auf sich aufmerksam gemacht.

Jewgenij Stupin ist nicht länger Mitglied der Kommunistischen Partei Russlands (KPRF). Am 14. März schloss das Parteibüro des Moskauer Stadtkomitees den 39-jährigen Abgeordneten der Duma der russischen Hauptstadt aus, der er seit 2019 angehört. Stupin, eigentlich Jurist, wurde seitdem für die Unterstützung verschiedener sozialer Bewegungen, wie den Streik der Lieferservice-Kuriere und ökologische Stadtteilproteste, bekannt. Bekannt wurde Stupin auch für seine kritische Haltung zum Krieg, den seine, mittlerweile ehemalige, Partei nicht nur unterstützt, sondern auch linientreu-euphemistisch als »militärische Spezialoperation« bezeichnet.

Bereits am ersten Kriegstag unterzeichnete Stupin eine gemeinsame Erklärung von Sozialisten, Kommunisten und Gewerkschaftsaktivisten gegen den Waffengang. All das ertrug die KPRF-Spitze zunächst. Doch dass sich Stupin vor Kurzem für den liberalen Politiker Ilja Jaschin verbürgte, war zu viel für die Parteiführung. Jaschin wurde im Dezember wegen der angeblichen Verbreitung von angeblichen Fake News über die Armee zu einer achteinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Solidarität mit dem liberalen Kriegsgegner Jaschin kostete den linken Kriegsgegner Stupin seine Parteimitgliedschaft. Einzelne Parteizellen haben bereits Klage gegen den Parteiausschuss Allerdings, so Stupin in einer Pressemitteilung, kann er weiterhin als Parteiloser in der KPRF-Fraktion arbeiten. 

Für den Ausschluss stimmten sowohl Langzeitparteichef Gennadi Sjuganow als auch sein designierter Nachfolger Juri Afonin. Dass auch der ehemalige Duma-Abgeordnete Walerij Raschkin für den Parteiausschluss votierte, überraschte hingegen. Schließlich gilt er als Rivale Afonins und tat sich in der Vergangenheit als radikalerer Oppositioneller und Verfechter einer punktuellen Zusammenarbeit mit den Anhängern des Liberalen Alexej Nawalny hervor.

Der Fall Stupin zeigt, wie sich Russlands linkes legales Parteispektrum momentan neu ordnet. Die KPRF zieht die Zügel an und zeigt sich immer intoleranter gegenüber Antikriegspositionen in den eigenen Reihen. Und radikalere Parteien haben kaum eine Chance, registriert sowie zur Wahl zugelassen zu werden. Und »Spoiler-Organisationen« wie die »Kommunisten Russlands« üben sich in noch mehr Loyalität.

Für Aufsehen sorgte zuletzt auch die Partei »Gerechtes Russland«, die als sozialdemokratische Alternative zu »Einiges Russland« mit dem Segen des Kreml gegen die KPRF entstand, später mit anderen linken Parteien verschmolz und zunehmend zu einer Partei der Hartliner und Falken wurde. Auch ein Zusammenschluss mit der linksliberalen »Jabloko« stand vor rund zehn Jahren im Raum, schließlich hatte die Partei damals noch einen sozialdemokratischen Flügel. 

Jetzt die Kehrtwende: Statt als potenziellen Partner bezeichnete der »Gerechtes Russland«-Duma-Abgeordnete Nikolai Nowitschkow die Partei wegen deren Wahlprogramm als extremistisch. Dabei geht es auch um die Antikriegshaltung von »Jabloko«. Allerdings ist die Partei, in der Alexej Nawalny und Ilja Jaschin ihre politische Karriere begannen, schon länger angeschlagen und nur noch in einigen Regionalparlamenten vertreten.

Ob sich »Gerechtes Russland« mit seiner Verbotsforderung des kleinen Konkurrenten durchsetzen wird, ist nicht klar. Ein Trend zeichnet sich aber ab: Loyalität gegenüber dem Staat wird immer wichtiger. »Gerechtes Russland« hat bereits angekündigt, zugunsten von Wladimir Putin auf einen eigenen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu verzichten.

Wie die politische Karriere von Jewgenij Stupin weitergeht, ist bisher unklar. Einzelne Parteizellen haben bereits angekündigt, Einspruch gegen den Parteiausschluss einzulegen.

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