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Videoplattform TikTok unter Spionageverdacht
US-Behörden fordern ein Verbot der App TikTok. Der Grund: Sie gehört einem chinesischen Konzern
TikTok steht in den USA zur Zeit im Zentrum einer heftigen politischen Kontroverse. Vor allem bei jungen Menschen ist die Social-Media-Plattform, über die Kurzvideos geteilt werden können, beliebt. Laut dem Portal »Sprout Social« war TikTok im ersten Quartal 2022 die am häufigsten heruntergeladene App der USA.
Was zunächst nach harmlosem Spaß klingt, hat in den Augen von Politik und Sicherheitsbehörden einen Haken: TikTok gehört dem chinesischen Technologiekonzern ByteDance. Die Daten von Millionen Nutzern aus den USA, so die Befürchtung, könnten dem chinesischen Staat in die Hände fallen.
Gerade für die Republikaner, die im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernommen haben, ist der Fall ein gefundenes Fressen. Denn nicht nur China, sondern auch die heimische Technikbranche zählt inzwischen zu ihren liebsten Feindbildern. Für viele Konservative steht fest, dass große US-amerikanische Internetkonzerne wie Google und Microsoft fest auf Seiten der Demokraten stehen und das Internet in ihrem Sinne zensieren. Vor allem die Sperrung der Nutzerkonten von Präsident Donald Trump auf Twitter und Facebook nach dessen zahlreichen Ausfällen und Tiraden hat diesen Eindruck verfestigt.
In Washington D.C. wurde der Vorstandsvorsitzende von TikTok, Shou Chew, nun vor den Energie- und Handelsausschusses des Abgeordnetenhauses geladen. Dies folgt wenige Tage auf einen Beschluss des Komitees für Auslandsinvestitionen. Die Behörde, die wirtschaftliche Verflechtungen mit möglichen Auswirkungen auf die nationale Sicherheit überwacht, bietet TikTok zwei Optionen: entweder den Verkauf an einen US-Eigentümer oder aber ein Verbot des Produkts in den USA. Wie der Fernsehsender CNN berichtet, hatte dieselbe Behörde 2019 bereits den Verkauf der LGBTQ-Dating-App Grindr erzwungen, die sich ebenfalls in chinesischem Eigentum befunden hatte. Das Verfahren gegen TikTok ist also kein neuartiger Vorgang.
Die Vorsitzende des Handelsausschusses, die Republikanerin Cathy McMorris Rodgers, sparte im Vorfeld der Anhörung am Donnerstag nicht mit Kritik an der Plattform. »Den Menschen in den USA steht es zu, zu erfahren, ob ihre Privatsphäre durch die Beziehungen von TikTok (…) zu China gefährdet ist und ob es zur Manipulation von Daten kommt. Was noch schlimmer ist: Wir wissen, dass große Techkonzerne wie TikTok schädliche Algorithmen benutzen, um Kinder für ihren Profit auszubeuten und sie im Internet mit gefährlichen Inhalten zu konfrontieren«, so McMorris Rodgers in einer Pressemitteilung. »Wir müssen in Erfahrung bringen, welche Maßnahmen das Unternehmen in Angriff nimmt, um unsere Kinder im Internet und offline zu schützen.« Die Politikerin betonte, man freue sich auf den direkten Austausch mit Chew. Seine Anhörung setze die Arbeit des Ausschusses fort, »die Vorsitzenden großer Tech-Konzerne vorzuladen und sie über das destruktive Geschäftsgebaren ihrer Firmen zu befragen«.
Solche Statements belegen, dass die Zeiten, in denen Washington der Tech-Branche als zukünftigem Wirtschaftsmotor der USA jeden Wunsch von den Lippen ablas, wohl endgültig vorbei sind, nachdem bereits die Regierung von Präsident Trump gegenüber Silicon Valley eine härtere Gangart eingeschlagen hatte. Ausgerechnet die bittere parteipolitische Polarisierung der Trump-Jahre hat wohl dazu geführt, dass der Marktmacht von Technologieunternehmen nun ernsthafte politische Aufmerksamkeit zuteil wird. Und der sich zuspitzende geopolitische Konflikt mit China sorgt dafür, dass zum ersten Mal seit Langem das Datenschutzanliegen von US-Politiker*innen – zumindest rhetorisch – ernst genommen wird. Auch die Sorge, dass über die App chinesische Propaganda an US-amerikanische Teenager verbreitet werden könnte, spielt eine Rolle. Bereits 2020 hatte US-Präsident Donald Trump einen Versuch unternommen, die App in den USA verbieten zu lassen. TikTok war dagegen auf dem Rechtsweg vorgegangen.
Wie groß die reale Spionagefahr ist, ist selbst für Expert*innen schwer zu beurteilen. Das Potenzial für Missbrauch sehen zumindest einige IT-Sicherheitsspezialist*innen: »Selbst für jemanden, der darüber forscht, ist es nicht einfach, diese Apps auseinanderzunehmen und zu analysieren«, so Lindsay Gorman von der Alliance for Securing Democracy des German Marshall Fund, eines transatlantischen Thinktanks aus Washington D.C., gegenüber dem Nachrichtensender CNBC. »Als Gesellschaft haben wir uns nicht dazu durchgerungen, den Verkauf von Apps einzuschränken, wenn sie zu viele Daten sammeln.« Man könne diese Verantwortung nicht individuellen Konsumentinnen übertragen. Andere Analyst*innen geben sich skeptischer. »Vorbehalte gegenüber China sind angebracht«, so James Lewis vom Center for Strategic and International Studies gegenüber CNN. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob TikTok ein wertvolles Spionagewerkzeug (für die chinesische Regierung) ist.«
Auf einer Konferenz der Wirtschaftszeitschrift »Harvard Business Review« wies TikTok-Chef Chew die Vorwürfe gegen das Unternehmen zurück: »Die chinesische Regierung hat uns nie nach Nutzerdaten aus den USA gefragt. Und wie wir bereits offiziell mitgeteilt haben, würden wir eine solche Anfrage auch ablehnen, selbst wenn sie an uns gestellt würde.« Ob diese Versprechen die Mitglieder des Handelsausschusses überzeugen werden, darf bezweifelt werden.
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