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Neue Proteste gegen Rentenreform in Frankreich
Millionen Menschen bei landesweitem Aktionstag in Frankreich auf der Straße
Nachdem das Rentenreformgesetz per Vertrauensfrage durchs Parlament gedrückt wurde und nun selbst ohne Abstimmung als »angenommen« gilt, gehen die Proteste in Frankreich weiter. Für Donnerstag hatten die acht größten Gewerkschaften und die fünf bedeutendsten Jugendverbände zum nunmehr bereits neunten Streik- und Aktionstag gegen die Reform aufgerufen. Nach Schätzungen der Organisatoren nahmen an den landesweit mehr als 250 Demonstrationen wieder mehr als zwei Millionen Menschen teil, vor allem im Verkehrswesen und in der Energiewirtschaft.
Die Streiks legen zunehmend das Land still. Schon jetzt hat jede fünfte Tankstelle in Frankreich keinen Treibstoff mehr, vor anderen bilden sich kilometerlange Schlangen. Bei der Staatsbahn SNCF fiel am Donnerstag jeder zweite Fernzug aus und der Personennahverkehr in vielen Städten war weitgehend lahmgelegt. In Paris fuhren die Metro und die Vorortzüge stark eingeschränkt und auch nur im morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr.
In der Hauptstadt führten die Vorsitzenden der großen Gewerkschaften die massivste Demonstration des Aktionstages an. Dicht umringt dabei von Journalisten Laurent Berger von der CFDT und Philippe Martinez von der CGT, die Erklärungen abgaben und sich zu einem Interview von Emmanuel Macron äußerten. Darin hatte der Präsident deutlich gemacht, dass er sich durch die Massenproteste nicht beirren lässt und unverändert seinen Kurs fortsetzt. Er werde weder die Premierministerin ablösen noch die Regierung umbilden und schon gar nicht eine Volksbefragung über die Rentenreform durchführen, wie es die Gewerkschaften und die linken Parteien fordern und wie das auch von mehr und mehr bürgerlichen Politikern befürwortet wird, um die Zerrissenheit der Gesellschaft zu überwinden.
Macron sieht sich im Recht
Nach Macrons Überzeugung wurde die Reform völlig rechtmäßig verabschiedet und soll auf jeden Fall noch in diesem Jahr in Kraft gesetzt werden. Er räumte lediglich ein, vielleicht zu wenig die absolute Notwendigkeit und seine Beweggründe für die Reform erläutert zu haben, sodass sich in der Bevölkerung »falsche Vorstellungen« und eine »Abwehrhaltung« breitmachen konnten. Den Gewerkschaften warf der Präsident vor, sie hätten die Reform von vornherein nur pauschal abgelehnt und keine konstruktiven Alternativen oder Kompromisse vorgeschlagen. Gewerkschaftsvertreter wiesen die Aussage empört zurück. Berger bezeichnete sie sogar als »schamlose Lüge«. Martinez erklärte, der Präsident verdränge, dass sich in Frankreich eine »explosive Stimmung zusammenbraut«.
Der Präsident hatte sich auch über die gewalttätigen Ausschreitungen am Rande der spontanen und nicht genehmigten Protestmärsche empört, die in den vergangenen Tagen nicht nur in Paris, sondern auch in vielen anderen Städten stattfanden. Dabei kam es vielerorts zu Zusammenstößen mit der Polizei sowie zu willkürlichen Zerstörungen. Unter anderem wurden Autos und Mülltonnen angezündet. Für dieses »Chaos« machte Macron die Bewegung La France insoumise (LFI), die er als »linksradikal« abstempelte, zumindest mitverantwortlich.
Linke-Bundesvorsitzende in Paris
Unterstützung bekamen die Protestierenden am Donnerstag auch aus Deutschland. Die Parteivorsitzenden von Die Linke, Janine Wisseler und Martin Schirdewan, waren gekommen, um ihre Solidarität mit den Gegnern der Rentenreform zu bekunden. In Paris demonstrierten sie an der Seite ihrer Freunde der Gewerkschaft CGT, der Bewegung La France insoumise und der Kommunistischen Partei mit. »Den Protestierenden in Frankreich geht es schon lange nicht mehr allein um das Renteneintrittsalter. Nachdem Macron die Reform am Parlament vorbei durchgesetzt hat, geht es um die Demokratie«, sagte Wissler zu »nd«. Auch in Deutschland erlebe man aktuell eine Streikwelle, in der Beschäftigte um höhere Löhne und eine gerechtere Verteilung des Reichtums kämpfen. »Wie wir an den deutschen Warnstreiks sehen, haben viele Menschen die Schnauze voll von Regierenden, die in Wahlkampfzeiten soziale Politik versprechen und dann nicht liefern. Verschiedene Länder, der gleiche Kampf, deshalb ist grenzüberschreitende Solidarität nötig. ›Zusammen geht mehr – tous ensemble‹.«
Martin Schirdewan ergänzte: »Frankreichs Präsident Macron wird bei den kommenden Präsidentschaftswahlen nicht erneut antreten. Mit seiner Nach-mir-die-Sintflut-Haltung gibt er sich gar keine Mühe mehr, seine Politik im Interesse des Marktes zu verbergen.« Schirdewan erinnerte daran, dass im kommenden Jahr die Europawahl ansteht. »Dafür sind die Streiks in Deutschland und Frankreich ein echtes Hoffnungszeichen. In ganz Europa brauchen wir endlich eine Zeitenwende für soziale Gerechtigkeit.«
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