• Politik
  • Vor dem Warnstreik von Verdi und EVG

»Zeigen, welche Kraft wir haben«

In Berlin untermauerten mehrere Gewerkschaften ihre Forderungen für den umfassenden Warnstreik am Montag

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich hab mir heute extra feste Schuhe angezogen. Damit möchte ich den Unternehmen richtig in den Hintern treten.« Hartmut Meyer von den Senioren der Gewerkschaft IG Metall in Berlin findet deutliche Worte. Mit seiner Wut ist er nicht allein. Sie war auch den nach Veranstalterangaben an die 1000 Menschen anzumerken, die sich am Samstagnachmittag am Brandenburger Tor in Berlin versammelt hatten. Sie alle waren dem Aufruf der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), der Gewerkschaft Verdi und dem Berliner Mieterverein gefolgt, um unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Krise!« durch die Hauptstadt zu demonstrieren.

Anlass für die Demonstration waren die aktuellen Tarifrunden von Verdi und anderen Gewerkschaften, in denen sie ein höheres Einkommen für die Beschäftigten erreichen wollen. Zusammen haben Verdi und EVG daher am Montag zum bundesweiten Streik aufgerufen. Die Beschäftigten an den Airports, in Teilen der kommunalen Häfen, der Autobahngesellschaft und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, von Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen legen die Arbeit nieder.

»Durch die Inflation reicht das Geld einfach nicht mehr«, erklärt Rainer Perschewski gegenüber dem »nd« auf der Demonstration. Das EVG-Mitglied ist gleichzeitig Betriebsratsvorsitzender der Zentrale der Deutschen Bahn. »Gerade für die Kollegen der unteren Lohngruppen und im operativen Bereich wird es immer schwieriger. Daher sind wir auf der Straße, und daher streiken wir auch.« Die EVG fordert eine Lohnerhöhung von 650 Euro für alle, alternativ 12 Prozent mehr, bei einer Laufzeit von einem Jahr. Bisher bietet die Deutsche Bahn lediglich 27 Monate Laufzeit oder zweimal 100 Euro Lohnerhöhung.

Hier stimmt Falco Krzenciessa zu. »Zum Angebot der Arbeitgeber kann man nix sagen, das ist ein Schlag ins Gesicht.« Auch Krzenciessa, Vertrauensmann bei der Berliner Stadtreinigung BSR, ist wütend. »Während der Pandemie haben wir im öffentlichen Dienst alles geleistet, und jetzt kriegen wir nicht einmal den Dreck unter dem Fingernagel. Wir sagen deshalb: Bis hier und nicht weiter«, erklärte er dem »nd«. Der Ausstand der BSR ist Teil einer branchenübergreifenden Streikwelle. Bereits in den vergangenen Wochen beteiligten sich bundesweit rund 400 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes an den Streiks. Im dortigen Tarifkonflikt fordert Verdi 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat.

Dass sich die großen Gewerkschaften EVG und Verdi für ein gemeinsames Vorgehen entschieden haben, ist kein Zufall. »Die Auswertung aus den Betrieben hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit von Gewerkschaft deutlich sinnvoller ist, als allein zu streiken«, ergänzt Rainer Perschewski von der EVG. »Wir machen hier deutlich, was wir können und welche Kraft wir haben.« Die Gewerkschaften wollen die Ernsthaftigkeit des Anliegens gegenüber den Unternehmen verdeutlichen. »Wir können streiken«, betonte daher auch Verdi-Chef Frank Werneke.

Doch nicht nur Gewerkschafter waren am Wochenende dem Aufruf gefolgt. Neben stadtpolitischen Initiativen wie Deutsche Wohnen und Co. enteignen und dem Deutschen Mieterbund waren auch Aktive der Initiative »Ich bin armutsbetroffen« nach Berlin gekommen. Sie prangert die wachsende Armuts in Deutschland an. »Wir müssen alle zusammen stehen und dürfen uns nicht spalten lassen«, betont Susanne Hansen von »Ich bin armutsbetroffen«. »Arbeitende und arme Menschen haben die gleichen Interessen. Deshalb ist es wichtig, den aktuellen Streik zu unterstützen«, sagt die Aktivistin. Hier hakt auch Ines Schwerdtner von der Kampagne »Genug ist Genug« ein, die sich gegen die steigenden Preise und die soziale Schieflage einsetzt und sich ebenfalls an der Demonstration beteiligte: »Gegen die Propagandamaschine der Arbeitgeber hilft nur Solidarität. Und die muss auch aus der Zivilgesellschaft kommen.«

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