- Wirtschaft und Umwelt
- Gemeinsamer Verkehrsstreik von EVG und Verdi
Schienenverkehr kam fast zum Erliegen
EVG: Streikende hochmotiviert und mit »berechtigter Erwartungshaltung« an einen Tarifabschluss
Mit einem gemeinsamen bundesweiten Warnstreik haben die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die ebenfalls zum DGB gehörende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) am Montag ihren Forderungen in den laufenden Tarifrunden Nachdruck verliehen. Im Mittelpunkt der Aktionen stand der Verkehrssektor. Verdi rief die Mitglieder vor allem zu Arbeitsniederlegungen an neun Flughäfen, im kommunalen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in sieben Bundesländern, in einigen kommunalen Häfen, bei der Autobahngesellschaft und in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung auf. Insgesamt wurden rund 130 000 Kollegen zum Streik aufgerufen.
In einem Fall wurde ein wirksamer Streik allerdings juristisch unterbunden. Das Hamburger Landesarbeitsgericht gab einer von der Geschäftsführung der Autobahn GmbH beantragten einstweiligen Verfügung statt, mit der die Gewerkschaft verpflichtet werden sollte, den Normalbetrieb im Elbtunnel zu gewährleisten. Bei einer zeitweisen Vollsperrung des Tunnels könne durch den zeitgleich stattfindenden Streik bei der Deutschen Bahn und der S-Bahn Hamburg ein Verkehrskollaps im gesamten Hamburger Stadtgebiet drohen, der auch Rettungskräfte betreffen könnte, hieß es zur Begründung. Ole Borgard, stellvertretender Landesleiter von Verdi Hamburg, bezeichnete es als »bedenklich, wenn das grundgesetzlich garantierte Streikrecht so eingeschränkt wird, auch wenn es sich dabei um eine Einzelfallentscheidung handelt«.
Im Mittelpunkt des Streiktages stand allerdings der Schienenverkehr, der flächendeckend fast komplett zum Erliegen kam. Zu erheblichen Einschränkungen besonders im Fernverkehr kam es bereits am Sonntagabend, da die EVG-Kollegen an vielen Standorten bereits zu Schichtbeginn um 20 Uhr die Arbeit niederlegten und Züge, die ihr Ziel nicht vor dem offiziellen Streikbeginn um Mitternacht erreicht hätten, nicht mehr losfuhren. Ab den frühen Morgenstunden beteiligten sich dann laut EVG rund 30 000 Eisenbahner an mehr als 800 Standorten an dem Ausstand. Im Laufe des Tages sollten es durch die Schichtwechsel insgesamt noch mehr werden.
Vom Streik betroffen waren nicht nur die Deutsche Bahn und ihre Tochterunternehmen wie DB Regio und die Berliner und Hamburger S-Bahn, sondern auch rund 50 private Schienenverkehrsbetreiber. Während bei der S-Bahn und einigen Regionalbahnlinien möglicherweise ab dem Nachmittag wieder einige Verbindungen angeboten werden sollten, werde im Fernverkehr bis zum offiziellen Streikende um Mitternacht kein Zug rollen. Auch am Dienstag werde es zunächst noch Zugausfälle und Verspätungen geben, da die Züge erst an ihre Einsatzorte gebracht werden müssten, erklärte ein Bahnsprecher.
Am Morgen und am Vormittag gab es an über 50 Standorten Streikversammlungen, Kundgebungen und auch Demonstrationen. Die EVG beteiligte sich auch an der zentralen Verdi-Kundgebung vor dem Potsdamer Tagungshotel, in dem am Vormittag die Tarifverhandlungen mit Vertretern des Bundes und der Kommunen fortgesetzt wurden.
Auf einer Pressekonferenz am Mittag zog EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch eine rundum positive Bilanz des Warnstreiks. Die Kollegen seien hochmotiviert und hätten auch eine »berechtigte Erwartungshaltung« an einen Tarifabschluss. Loroch wies den Vorwurf zurück, die Forderungen seien überzogen. Sie seien vielmehr »angemessen«, zumal die EVG in der Coronakrise deutliche Lohnzurückhaltung an den Tag gelegt habe. Die Gewerkschaft fordert zwölf Prozent mehr Lohn und einen Mindestbetrag von 650 Euro pro Monat.
Weitere Warnstreiks seien aber zunächst nicht geplant, der Osterverkehr bleibe ungestört. Am 24. April sei der nächste Termin mit der Deutschen Bahn, dies sei allerdings davon abhängig, dass der Konzern ein verhandlungsfähiges Angebot vorlege. Das Management habe sich bislang »verzockt« und müsse entscheiden, »ob es tatsächlich den Preis für seine Arroganz zahlen will«. Deswegen sei es durchaus denkbar, dass man mit kleineren Schienenverkehrsanbietern bereits zuvor einen Abschluss erzielen werde.
Für die EVG ist dieser massive Warnstreik auch eine willkommene Gelegenheit, um zu belegen, dass sie bereit und in der Lage ist, ihren Forderungen auch mit Arbeitskampfmaßnahmen Nachdruck zu verleihen. Denn in den vergangenen Jahren gab sich die EVG eher »sozialpartnerschaftlich«, was ihr den Vorwurf einbrachte, mehr an den Interessen des maroden Bahn-Konzerns als an denen ihrer Mitglieder orientiert zu sein. Das beflügelte auch die gewerkschaftliche Konkurrenz in dem Konzern, die zum Deutschen Beamtenbund gehörende Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die nicht nur einen Großteil der Lokführer organisiert, sondern inzwischen auch in anderen Berufsgruppen bei der Bahn aktiv ist. Doch die EVG kann auch ohne Lokführer die Bahn lahmlegen, indem unter anderem die Stellwerke und die Fahrdienstleitungen bestreikt werden.
Am Warnstreik war die GDL nicht beteiligt. Sie hat einen eigenen Tarifvertrag bei der Bahn, der noch bis Ende Oktober gilt, befindet sich daher in der Friedenspflicht. Die GDL wies ihre Mitglieder darauf hin, dass sie zwar nicht die Arbeit niederlegen dürften, weil dann arbeitsrechtliche Konsequenzen drohten. Allerdings seien GDL-Mitglieder nicht verpflichtet, »direkt einen bestreikten Arbeitsplatz zu übernehmen«. Zudem blieben »tarifvertragliche Regelungen, insbesondere Schutznormen im Bereich der Arbeitszeit oder die Regelungen zur persönlichen Planungssicherheit vollumfänglich wirksam«.
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