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Achtung, Gesellschaftskritik!
Ist das Kritische Theorie oder kann das weg?
Eine Institution, die sich in der gegenwärtigen Höllenlandschaft der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit gänzlich ungestraft als kritische Instanz ausgeben kann, ist das Forschungszentrum »Normative Orders« an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Angesiedelt in der Heimat der Frankfurter Schule und sich als deren aktuelle Inkarnation verstehend, widmet sich das Zentrum im Rahmen einer Veranstaltungsreihe derzeit folgender Frage: »Was sagt die Frankfurter Schule, die Gesellschaftsanalysen stets mit Ideologiekritik verbunden hat, zur derzeitigen Lage der Gesellschaft? Welche Antworten gibt die sogenannte ›dritte und vierte Generation‹ auf weltweite Krisen und Konflikte?«
Als eine derjenigen »Persönlichkeiten, die – geschult am ›Frankfurter Denken‹ – Position beziehen zu aktuellen Problemlagen«, so der Ankündigungstext, setzt sich der Philosophieprofessor und Projektleiter im Forschungszentrum Christoph Menke gleich einmal selbst aufs Podium. Schließlich hat er ein neues Buch zu bewerben: »Theorie der Befreiung« heißt es! Was Menke unter Gesellschaftskritik versteht, wird ebenfalls bereits in der Ankündigung klar. Der »Philosoph« geht »von der Diagnose aus, dass bisherige Befreiungsbewegungen stets in neue Abhängigkeitsordnungen gemündet seien und zeigt auf, wie Freiheit und Herrschaft unauflöslich miteinander verwoben sind«. Mit der Herausarbeitung des ideologischen Gehalts dieser Äußerung kann an dieser Stelle nicht einmal begonnen werden. Nur ganz kurz: Freiheit und Herrschaft sind tatsächlich untrennbar verwoben, allerdings nicht in der befreiten, sondern in der bürgerlichen Gesellschaft – eine Wahrheit, die Menke entweder nicht erkannt hat oder schlicht nicht zugeben mag.
Als Epigonen der Kritischen Theorie führen Menke und Konsorten deren problematischste Tendenzen zur Vollendung: ein kulturpessimistisch-fatalistischer, als Vernunftkritik daherkommender Antikommunismus, der letztlich IMMER die bürgerlichen Verhältnisse als vermeintlich kleineres Übel verteidigt. Politische Bemühungen links der Sozialdemokratie werden von solchen Leuten als mindestens vergeblich, eigentlich aber – um es in den Worten des Sozialdemokraten Jürgen Habermas und ersten Epigonen der Frankfurter Schule zu formulieren – »linksfaschistisch« denunziert. Von hier zum Anwurf des »Lumpenpazifismus« gegen Antimilitarist*innen, der derzeit in der Öffentlichkeit kursiert, ist es nicht weit.
Was man den Normative-Orders-Leuten also nicht vorwerfen kann, ist, dass sie nicht in den Zeitgeist passen – aber ob das nun etwas Positives ist, kann sich jede Linke mal selbst beantworten. Als abschließenden Hinweis, wie der ideologische Hase im Frankfurter Forschungszentrum läuft, noch ein kleines Zitat der dort ebenfalls angesiedelten Forschungsinitiative »ConTrust« (sic!): »Aber woher nehmen wir die Gewissheit, dass Auseinandersetzungen nicht eskalieren, dass sich das jeweilige Gegenüber an Regeln hält, dass Institutionen uns gegen Überschreitungen absichern und die soziale Welt als ganze so stabil ist, dass wir unser Handeln in ihr sinnvoll orientieren können? Die Antwort ist Vertrauen.« Na denn, liebe Klimaaktivist*innen! Seht mal zu, dass ihr euch dieses Vertrauen draufschafft, bis die Polizei euch das nächste Mal für den Kohleabbau vom Feld prügelt!
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