- Politik
- Indien
Rahul Gandhi gibt in Indien nicht auf
Wichtigster politischer Gegenspieler von Indiens Premier Modi verliert Parlamentsmandat
Sein Urgroßvater Jawaharlal Nehru war nach der Unabhängigkeit 1947 für 17 Jahre erster Premierminister Indiens, auch seine Großmutter Indira Gandhi und sein Vater Rajiv Gandhi standen der Regierung vor. So weit hat es für Rahul Gandhi (52) bisher nicht gereicht. Seine Partei, der altehrwürdige Indian National Congress (INC), hat bei den Wahlen 2019 erneut gegen die seit knapp einem Jahrzehnt regierende hindunationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) verloren. Doch ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen gilt der politische Erbe der berühmtesten Familiendynastie Indiens noch immer als wichtigster Gegenspieler von Premier Narendra Modi.
Parteichef ohne Charisma
Mallikarjun Kharge (80), unlängst zum neuen INC-Parteichef ernannt, hat nicht ansatzweise die Bekanntheit und das Charisma des eine gute Generation jüngeren Gandhis. Und mit neuer Angriffslust hatte dieser in der Lok Sabha, dem Unterhaus des indischen Parlaments, zuletzt immer wieder die Modi-Regierung wegen des Adani-Skandals angegriffen und gemeinsam mit anderen Oppositionskräften vergeblich die Einrichtung eines Sonderausschusses gefordert. Dieser sollte die Verbindungen zwischen höchsten Regierungskreisen und dem mittlerweile umstrittenen Multimilliardär Gautam Adani untersuchen. Das Firmenimperium Adanis, bis vor Kurzem noch drittreichster Asiate und bekannt als Indiens »Kohlekönig«, ist unter Vorwürfen wie gezielter Bilanzfälschung ins Zwielicht geraten und hat einen Großteil des Börsenwerts eingebüßt.
Zumindest auf parlamentarischer Bühne wird Rahul Gandhi vorerst nicht mehr auftreten. Die Lok Sabha hat ihm vergangenen Freitag offiziell sein Mandat entzogen, das er in einem Wahlkreis im südlichen Bundestaat Kerala gewonnen hatte. Anlass ist das einen Tag zuvor verhängte Urteil eines Gerichts in Gujarat: In Modis Heimat-Unionsstaat hatte Gandhi im Wahlkampf 2019 eine umstrittene Rede gehalten, die gewissermaßen pauschal Menschen mit dem Familiennamen Modi zu Dieben erklärte. Die damalige Wortwahl mochte in der Tat unglücklich gewesen sein, ein Betroffener hatte Klage eingereicht.
Sorge vor Gefährdung der Demokratie
Der erhobene Vorwurf, Zwietracht zwischen Bevölkerungsgruppen zu säen, ist aber unzutreffend, weil es keine spezielle Gruppe mit dem verbindenden Etikett Modi gibt. Dennoch verhängte das Gericht gegen ihn eine zweijährige Haftstrafe. Zunächst wurde das Urteil für einen Monat zur Berufung ausgesetzt gegen Zahlung einer Kaution. Das BJP-dominierte Parlament, in dem der einstmals dominante INC nur noch ein Zehntel der Abgeordneten stellt, war mit dem Mandatsentzug dann schnell bei der Hand.
Es geht längst nicht nur um den Druck im Streitfall des eng mit Modi verbündeten Adani, den auch andere aus der Opposition aufrechterhalten werden. Besonders übel nahm die BJP-Führung Rahul Gandhi vielmehr eine Rede, die dieser kürzlich in Großbritannien gehalten hatte. Darin prangerte er in sehr deutlichen Worten eine massive Gefährdung der indischen Demokratie durch die regierenden Hindunationalisten an – eine Einschätzung, mit der er keineswegs allein dasteht, sondern die von vielen linken und liberalen Intellektuellen des Landes geteilt wird.
Doch wenn gerade er mit seinem Prominentenfaktor diese Warnung ausspricht, hat das medial und in sozialen Netzwerken höchste Aufmerksamkeit. Umgehend forderten führende BJP-Vertreter von ihm eine öffentliche Entschuldigung. Doch die noch immer arg zersplitterte Opposition hält zum größten Teil offen zu ihm. Unlängst hat er einen fünfmonatigen Langen Marsch durch zwölf der 28 Bundesstaaten abgeschlossen. Er lasse sich nicht einschüchtern, gab sich der INC-Frontmann in einem Statement am Wochenende kämpferisch: »Was immer ich tun muss, werde ich tun, um die Demokratie in diesem Land zu verteidigen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.