Berliner Straßennamen: Schande im Stadtbild

An Umbenennungen führt kein Weg vorbei, meint Marten Brehmer

Personalausweise beantragen, Fahrzeugpapiere neu ausstellen lassen und Kontakten die neue Adresse mitteilen: Den Stress, der mit einer Straßenumbenennung verbunden ist, wünscht man niemandem. Manchmal ist er aber notwendig. Noch immer tragen zahlreiche Straßen die Namen von Antisemiten. Gerade in der einstigen Reichshauptstadt Berlin ist es ein fatales Signal, wenn aus Bequemlichkeit auf die Umbenennung verzichtet wird.

Vor allem, weil ein kurzes Zurückerinnern zeigt, dass man nicht immer so zaghaft war. Nach der Wiedervereinigung wurden unzählige Straßennamen aus der DDR-Zeit geändert. Es ist wahr, dass damals mit Straßennamen auch Menschen geehrt wurden, die im Namen des Sozialismus Verbrechen begangen hatten. Wahr ist aber auch, dass im antikommunistischen Eifer Namen getilgt wurden, die an unbescholtene Persönlichkeiten erinnerten. Selbst Widerstandskämpfern gewidmete Straßen wurden umbenannt. Darum, ob die Anwohner neue Visitenkarten drucken mussten, kümmerte sich niemand.

Warum fehlt dieses Tempo heute? Wohl auch, weil die Beschäftigung mit den Straßennamen unbequeme Wahrheiten zutage fördert. Wie bei keiner anderen Nation war der Kampf um Demokratie in Deutschland mit Antisemitismus verbunden. Am Ende des Wartburgfests stand eine Bücherverbrennung, bei der Werke jüdischer Autoren den Flammen übergeben wurden. Auch danach waren deutscher Nationalismus und Antisemitismus eng verwoben. Es überrascht nicht, dass sich viele Persönlichkeiten dieser Zeit entsprechend geäußert haben.

Nötig ist aber auch Selbstreflexion. Bevor sich der spätere Weggefährte von Karl Marx der Arbeiterbewegung zuwandte, war Franz Mehring in der bürgerlichen Demokratiebewegung aktiv und äußerte sich nachweislich antisemitisch. An dem Platz, der heute nach ihm benannt ist, steht das nd-Gebäude. Weil er sich später von der Judenfeindlichkeit distanzierte, ist eine Umbenennung wohl nicht nötig. Ein Hinweis mit einer Tafel wäre aber angemessen.

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