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Mietenwahnsinn: Für weniger Wohnungsbau mehr bezahlt

Kaum noch neue Einfamilienhäuser: Private sorgen nicht für bezahlbare Quartiere

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass mehr Geld dafür eingesetzt wird, bedeutet nicht, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Als Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) am Donnerstag die Bilanz des »Bündnisses für Wohnen« vorstellte, sprach er zwar mehrfach von einem »Erfolg«. Und er versprach: »Wir wollen den Menschen in Brandenburg weiterhin bedarfsgerechtes Wohnen zu bezahlbaren Preisen ermöglichen.« Doch sind die vorgelegten Zahlen beim Wohnungsneubau trotz gestiegener Fördersummen geringer als in den Vorjahren. Die Aussichten für die kommende Zeit sind nicht ermutigend.

Der Minister verwies auf 941 neue Wohnungen, die 2022 aufgrund einer Landesförderung verbilligt an die Erstbezieher vermietet werden konnten. Ob es sich angesichts der Flüchtlingszahlen und der industriellen Neuansiedlungen dabei nicht um einen Tropfen auf den heißen Stein handelt, ließ er offen. Bei ihrer Förderpolitik habe sich die Landesregierung an den Kriterien barrierefrei, nachhaltig, energieeffizient und bezahlbar orientiert, so der Minister. 617 Wohnungen seien per Fahrstuhl erreichbar. Auf Nachfrage räumte Beermann ein, dass vor zwei Jahren mit über 1300 geförderten Wohnungen eine deutlich höhere Zahl fertiggestellt werden konnte. Die im vergangenen Jahr sprunghaft um 18,1 Prozent gestiegenen Baukosten (Material, Energie und Personal) hätten die Bilanz geprägt, ließ Beermann wissen. Angesichts deutlich gestiegener Zinsen sei vielen Bauherren die Lust an neuen Projekten vergangen.

Und das Land Brandenburg habe überhaupt nur das Vorjahresergebnis erreicht, weil verschiedene Projekte im Nachhinein mehr Geld erhielten als ursprünglich vorgesehen, so Beermann. Diese Nachfinanzierung bezifferte er auf 26 Millionen Euro. Er verwies darauf, dass seit Januar etwa doppelt so viele Menschen wohngeldberechtigt seien wie zuvor, und dass es ab Mitte April für Bedürftige einen Heizkostenzuschuss geben werde.

Oliver Herrmann, Präsident des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes, bekannte sich zum »Bündnis für Wohnen«. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt zwinge dazu, über die Senkung geforderter Baustandards nachzudenken. Das betreffe auch die dringend nötige Kapazitätserweiterung bei Kitas und Schulen. Hermann, der Bürgermeister von Wittenberge ist, sprach von einer »schizophrenen Situation«. Denn einerseits würden mehr Wohnungen in bestimmten Segmenten und außerdem Schulen und Kitas gebraucht, andererseits müsse ein Teil der Kommunen immer noch mit Schrumpfung, Überalterung und Leerstand umgehen. Die schwierige Finanzierungslage habe den Neubau von Eigenheimen im äußeren, von Berlin entfernten Entwicklungsraum zu 80 Prozent zum Erliegen gebracht. Wenn es noch Neubau gegeben habe, dann seien größtenteils begonnene Mehrfamilienhäuser zu Ende gebracht worden, so Herrmann. Noch stünden die geplante Sanierung des Wittenberger Bahnhofs und auch die Bauprojekte bei Kindertagesstätten in der kommunalen Vorhabenplanung.

»Im Nachhinein ist man immer schlauer«, sagte Herrmann bezogen auf die Frage, ob der Abriss von rund 80 000 intakten Wohnungen, meist Plattenbauwohnungen, allein im Land Brandenburg nach der Wende im Lichte der aktuellen Lage nicht ein gigantischer Fehler gewesen sei. Wittenberge habe 1990 rund 30 000 Einwohner gehabt und heute seien es 17 000. Es hätte keinen Sinn ergeben, alle Wohnhäuser stehen zu lassen, sagte er.

Die kommunalen Wohnungsgesellschaften und die Wohnungsgenossenschaften hätten den Überschuss zumindest abgerissen, private Eigentümer hätten die leeren Gebäude oft einfach nur zugenagelt, ergänzte Maren Kern vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. »Die Kosten für den Leerstand waren erheblich.« Niemand habe die Welle syrischer Flüchtlinge und den Ukraine-Krieg voraussehen können. Die aktuelle starke Verteuerung von Neubau und Sanierung »beschäftigt unsere Unternehmen sehr«, sagte sie. In Größenordnungen werden Neubauvorhaben um ein bis drei Jahre verschoben. Es sei im Berliner Umland aber noch nicht wie in der Hauptstadt, wo eine beträchtliche Zahl an Vorhaben ganz abgeblasen worden sei.

Das Dilemma besteht den Worten Kerns zufolge darin, dass angesichts der gewachsenen Baukosten im frei finanzierten Wohnungsbau bezahlbare, preiswerte Mietwohnungen nicht mehr entstehen könnten. Aber auch durch das Land geförderte Wohnungen sind nur ein paar Jahre an die Zusage einer geringeren Miete gebunden. Vermutlich ist daher die Zahl der Wohnungen, die aus dieser Bindung inzwischen schon wieder herausgefallen sind, größer als die neu hinzugekommenen. Kerns Forderung an die Bundesregierung: nicht in immer kürzeren Abständen neue Regularien verbindlich machen und dadurch die Planungen enorm erschweren und die Verunsicherung vergrößern. Als Beispiel nannte sie die Forderung, herkömmliche Beheizung durch Erdwärme zu ersetzen, die mittels Wärmepumpen in die Heizungsrohre gelange. Weder sei die nötige Anzahl an Pumpen vorhanden, noch die der Fachkräfte, die sie einsetzen müssten, sagte Kern. »Mit der Geschwindigkeit, die sich die Bundesregierung hier vorstellt, ist das nicht umsetzbar.«

Mit einem »Aktionsplan« will die Linksfraktion gegen die Wohnungslosigkeit vorgehen. Wie die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré kürzlich mitteilte, waren Ende 2022 knapp 1300 Brandenburger wohnungslos, mit 615 fast die Hälfte davon in Potsdam. »Fast ein Drittel von ihnen ist minderjährig«, setzte sie hinzu. In Brandenburg/Havel wurden 150 Wohnungslose gezählt, in Cottbus 105. Wohnungslos in diesem Sinne sind aber nicht Menschen, die auf der Straße leben, sondern jene, die ihre Wohnungen verloren haben und von Kommunen erst einmal behelfsmäßig untergebracht werden. Langfristig würde nur der Neubau bezahlbarer Wohnungen das Problem verringern, sagte Vandré.

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