Gefllüchtete aus Moldau: Gegen das Ende des Abschiebestopps

Roma-Bündnis ruft zur Demonstration für Bleiberecht von Menschen aus Moldau auf

Schönes Bild, mehr nicht? Die Wandmalerei am Einwanderungsamt verspricht ein »Willkommen in Berlin«, das Roma* kaum erleben.
Schönes Bild, mehr nicht? Die Wandmalerei am Einwanderungsamt verspricht ein »Willkommen in Berlin«, das Roma* kaum erleben.

Der Berliner Abschiebestopp ist vorbei. Die aktuelle Koalition hatte sich zu Beginn ihrer Legislaturperiode darauf geeinigt, während der Wintermonate bis auf einige Ausnahmen keine Menschen auszuweisen. Ab dem 1. April gilt der Winter für beendet und es geht wieder los: Menschen werden nachts in ihren Wohnungen von der Polizei aus dem Schlaf gerissen und, im Zweifelsfall auch gewaltvoll, in die Flieger gepackt. Um gegen die drohenden Abschiebungen zu protestieren und Bleiberecht für Roma* zu fordern, findet an diesem Freitag eine Demonstration vom Berliner Bündnis gegen Antiziganismus und für Roma*-Empowerment (BARE) statt.

»Wir befürchten massenhafte Abschiebungen ab April«, sagt Veronika Patočková von Roma Trial, einer Selbstorganisation von Roma* aus Berlin, zu »nd«. Besonders bedroht von diesem Szenario sind Moldauer*innen, die aktuell in Berlin leben, darunter hauptsächlich Roma*. Spätestens seit Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im November davon sprach, sie wolle schnellstmöglich 3200 ausreisepflichtige Menschen nach Moldau abschieben, befürchten Initiativen das Schlimmste.

»Wir müssen auch damit rechnen, dass bei den Abschiebungen rechtswidrige Vorgänge passieren«, sagt Patočková. Familientrennungen und Abschiebungen von Kranken oder Schwangeren kämen regelmäßig vor. Asylverfahren von Moldauer*innen würden so schnell durchgeführt, dass Schutzsuchende nicht genug Zeit hätten, um alle relevanten medizinischen Atteste zur Verhinderung der Abschiebung vorzulegen. »Es braucht mehr Zeit. Es kann nicht sein, dass Asylanträge innerhalb von zwei Monaten als ›offensichtlich unbegründet‹ abgelehnt werden. Moldau wird wie ein sicheres Herkunftsland behandelt, was es aber nicht ist«, sagt die Aktivistin von Roma Trial.

Dass Roma* in Moldau stark diskriminiert werden, belegen zahlreiche Studien, unter anderem von Pro Asyl. Trotzdem wird dies in Deutschland nicht als Fluchtursache anerkannt. Das müsse sich ändern, so Patočková. »Langfristig müssen aber auch andere legale Zugangswege geschaffen werden, zum Beispiel über die Arbeitsmigration«, sagt sie. Denn viele Moldauer*innen, die in Berlin Schutz suchten, würden hier gerne eine Arbeit aufnehmen, müssten dafür aber die entsprechenden Chancen erhalten. »Sie können ein aktiver Teil der deutschen Gesellschaft sein. Deutschland wirbt doch um Fachkräfte aus dem Ausland«, sagt Patočková.

Es fehle außerdem das historische Bewusstsein in der deutschen Gesellschaft für die Geschichte von Roma*, die in Europa 500 Jahre lang versklavt und im Nationalsozialismus in Massen verfolgt und ermordet wurden. »Das sind zwei riesige Themen, die wir sichtbar machen wollen«, sagt Patočková.

Die Demonstration am Freitag beginnt um 15 Uhr mit einer Kundgebung vor der Senatsinnenverwaltung in Mitte und soll im Anschluss bis zum Roten Rathaus laufen. »Wir wollen diejenigen erreichen, die etwas verändern können. Wir richten uns auch an die kommende Berliner Regierung«, so die Aktivistin. Aber auch die breite Öffentlichkeit soll über die Notlage von schutzsuchenden Roma* informiert werden und Betroffene selbst sollen bestmöglich unterstützt werden. »Wir möchten ihnen das Gefühl geben, dass sie von der Gesellschaft nicht alleine gelassen werden«, sagt Patočková.

Zur Demonstration ruft neben zahlreichen weiteren Initiativen auch der Berliner Flüchtlingsrat auf. Auch hier befürchtet man Massenabschiebungen ab Ende des Wintermoratoriums, sagt Sprecherin Emily Barnickel zu »nd«. Zwar sieht auch sie Moldauer*innen als besonders bedrohte Gruppe, aber auch andere Roma* seien bedroht. »Menschen aus den Staaten des Westbalkans haben immer prekäre Aufenthaltschancen«, so Barnickel. Das sehe man auch daran, dass Sammelabschiebungen oft gleich zwei Herkunftsländer anfliegen: Moldau und Serbien oder Bosnien zum Beispiel.

»Wir haben die Angst, dass das LEA (Landeseinwanderungsamt) den Winter zur Vorbereitung genutzt hat, um ab April schnell abschieben zu können«, sagt Barnickel. Diese Angst komme auch daher, dass es im Winter deutlich längere Verfahrensprozesse gegeben habe, um an Papiere zu kommen, die den Aufenthaltsstatus verlängern. Die Sprecherin des Flüchtlingsrats weist darauf hin, dass selbst während des Abschiebestopps in Berlin schutzsuchende Menschen ausgewiesen worden seien. Dazu habe es eine Ausnahmeregel für Personen gegeben, die zu Strafen von über 50 Tagessätzen verurteilt worden seien.

Die Innenverwaltung bestätigt, dass auch während des Wintermoratoriums Menschen, die unter die Ausnahmeregel fielen, abgeschoben wurden. »Ausweislich des Fachverfahrens des LEA wurden in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum 28. Februar 2023 insgesamt 97 Personen abgeschoben«, sagt Pressesprecher Thilo Cablitz zu »nd«. Davon seien 34 Personen moldauischer und zwölf Personen georgischer Staatsangehörigkeit gewesen, der Rest habe sich gleichmäßig auf Menschen mit polnischer, russischer und afghanischer Staatsangehörigkeit aufgeteilt. »Hierunter fallen auch die vom Winterabschiebstopp ebenfalls ausgenommenen Überstellungen nach der Dublin-III-VO in die für das Asylverfahren zuständigen EU-Mitgliedssaaten«, sagt Cablitz.

Die Innenverwaltung macht keine Angaben zu schon geplanten Abschiebungen im April, bestätigt aber, dass nach Ende des Moratoriums an diesem Freitag »Ausreisepflichten im Einklang mit den geltenden Richtlinien der Regierungspolitik grundsätzlich wieder durchgesetzt« würden. Zum Stichtag 28. Februar lebten laut LEA 18 675 »vollziehbar ausreisepflichtige Personen«, darunter 3572 aus Moldau, 1730 aus Irak, 1289 aus Russland und 1087 aus Georgien, in Berlin.

All diese Menschen sind akut von Abschiebungen bedroht. Barnickel fordert die Schaffung von gesicherten Aufenthaltsmöglichkeiten für in Berlin schatzsuchende Roma*. Auch wenn Asylrecht grundsätzlich Bundesangelegenheit sei, habe das Land die Möglichkeit dazu. »Berlin kann ein humanitäres Bleiberecht für Roma* gewähren«, sagt die Flüchtlingsrat-Sprecherin.

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