- Politik
- Macron und von der Leyen in Peking
Charme-Offensive gegenüber EU
China lässt sich vom harten Ton aus Brüssel nicht aus der Reserve locken
Die derzeitige Stille Chinas gegenüber dem ankommenden Gast aus Brüssel ist erstaunlich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte schließlich vor wenigen Tagen erst eine Grundsatzrede gehalten, in der sie nicht nur den Ton gegenüber der Volksrepublik China deutlich verschärfte, sondern unmissverständlich eine Neuausrichtung der gemeinsamen Beziehungen forderte. Bislang jedoch trägt Peking seine Entrüstung nicht nach außen. Es ist, als wolle man die Europäische Union – den größten Handelspartner Chinas – auf keinen Fall vergraulen.
Von Mittwoch bis Freitag wird von der Leyen nun gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron das Reich der Mitte besuchen. Politisch wird ihr Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping zweifelsohne vom Krieg in der Ukraine dominiert werden: Macron, dessen stundenlange Telefonanrufe mit Wladimir Putin keinerlei Ergebnisse brachten, wird nun Xi versuchen davon zu überzeugen, seinen Einfluss auf Moskau geltend zu machen.
Ein paar kleinere Erfolge wären durchaus denkbar – etwa, dass Xi zum ersten Mal seit Beginn der Invasion mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyj telefonieren könnte. Oder aber, dass sich der chinesische Staatschef zu einer zaghaften Kritik an den russischen Plänen durchringen könnte, Nuklearwaffen in Belarus zu stationieren. Der Besuch bietet immerhin ausreichend Spielraum für einen tiefgehenden Austausch: Sowohl Ursula von der Leyen als auch Emanuel Macron werden jeweils im Vier-Augen-Gespräch auf Xi Jinping treffen und auch einen Termin beim Premierminister Li Qiang haben.
Generell ist der Umfang des Staatsbesuchs wieder auf Normalniveau: Während Olaf Scholz noch aufgrund der Corona-Restriktionen im Vorjahr mit einem 24-Stunden-Besuch abgespeist wurde, hat Macron für seine insgesamt drei Tage dauernde Reise eine über 50-köpfige Wirtschaftsdelegation mit im Schlepptau.
Seit Monaten bereits fahren die Chinesen eine merkbare Charme-Offensive gegenüber den Europäern. Sowohl Diplomaten im Ausland als auch Politiker in Peking argumentieren, dass die EU vor allem ein Opfer der übermächtigen USA sei, die den Druck erhöhen würde. Im wahren Interesse Brüssels sei es, sich von den Fängen Washingtons zu lösen – und sich gegenüber Peking anzunähern.
Bislang jedoch fruchtet die Rhetorik kaum. Die meisten politischen Delegationen, die in den vergangenen Wochen seit der Grenzöffnung in die Volksrepublik gereist sind, durchschauen das Spiel der Chinesen, die vor allem einen Keil zwischen Europa und die Vereinigten Staaten treiben wollen. Manche fühlen sich auch auf den Schlips getreten, dass der EU nicht zugetraut wird, eine eigene Stimme zu haben, sondern nur ein loyaler Vasall der USA zu sein.
In der chinesischen Presse wird der kommende Besuch durchaus ambivalent bewertet: Insbesondere Macron attestiert man eine gewisse »Aufrichtigkeit«, schließlich würde er einerseits an Pekings konstruktiver Diplomatie zur Lösung des Ukraine-Konflikts glauben und auch an gesunden Handelsbeziehungen interessiert sein. Ursula von der Leyen hingegen wird – hauptsächlich wegen ihrer kritischen Grundsatzrede – wie ein ungeladener Gast wahrgenommen, den man nur zähneknirschend zur Party lässt.
Sima Nan, einer der führenden politischen Kommentatoren des Landes, wirft von der Leyen vor, dass sie China zwingen würde, sich zwischen Russland und Europa zu entscheiden: »Sie versteht die Idee des Mittelwegs nicht, und sie versteht auch nicht Chinas Konzept einer menschlichen Schicksalsgemeinschaft«, schreibt der 66-Jährige auf seinem Blog. Damit wiederholt Nan, was seine Regierung in ihrer vage formulierten Propaganda stets betont: China sei eine Friedensmacht und setze sich für eine multipolare Weltordnung ein.
Innerhalb der Internetgemeinde herrscht ein deutlich rauerer Wind. Auf der führenden Online-Plattform Weibo wird Ursula von der Leyen teils auf vulgäre Art beleidigt – von einer »alten Hexe« ist da die Rede, andere User bezeichnen sie als »Hündin der USA« oder »anti-chinesisches Element«.
Solch ein rüder Ton mag im Internet nichts Besonderes sein, allerdings verfügt China über einen der rigidesten Zensurapparate der Welt: Würde ein Kommentator auch nur eine beleidigende Silbe gegenüber Xi Jinping verfassen, wäre das Posting nicht nur innerhalb von Sekunden gelöscht, sondern es stünden auch schon bald Polizeibeamte vor der Tür des Verfassers.
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