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  • Rechte Attacken in Thüringen

Anstieg rechtsmotivierter Angriffe in Thüringen

Viele Kinder und Jugendliche sind betroffen

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.
im Rahmen von Demonstrationen gegen die COVID-19-Politik, hier in Erfurt im Januar 2022, kam es verstärkt zu rechtsmotivierten Angriffen.
im Rahmen von Demonstrationen gegen die COVID-19-Politik, hier in Erfurt im Januar 2022, kam es verstärkt zu rechtsmotivierten Angriffen.

In der Vergangenheit hatten sie davor gewarnt, nun sehen sie sich bestätigt: Die Opferberatung Ezra hat 2022 so viele rechtsextreme Angriffe in Thüringen registriert wie noch nie seit Beginn ihrer Aufzeichnungen im Jahr 2011. »Wir sprechen hier auch von einer neuen Welle rechter und rassistischer Gewalt in Thüringen«, sagte Franz Zobel, der Projektkoordinator von Ezra, am Mittwoch in Erfurt. Auch in anderen ostdeutschen Bundesländern sei ein vergleichbarer Trend zu beobachten. Besonders alarmierend sei, dass insbesondere Kinder und Jugendliche zuletzt deutlich häufiger aus rechtsextremen Tatmotiven angegriffen worden seien.

Die Opferschutzorganisation Ezra ist auf die Beratung von Menschen spezialisiert, die aus rechtsextremen Motiven angegriffen worden sind. Getragen wird sie von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

Im Jahr 2022 zählte Ezra 180 rechtsmotivierte Angriffe im Freistaat. Davon seien mindestens 374 Menschen direkt betroffen gewesen oder mitangegriffen worden. Darunter waren 68 Körperverletzungen und 50 gefährliche Körperverletzungen sowie drei versuchte Tötungen. Im Jahr 2021 hatte Ezra 124 Fälle von rechtsmotivierten Übergriffen gezählt, ein Jahr zuvor waren es 104 Fälle. Vor allem bei Attacken auf Kinder und Jugendliche habe es eine dramatische Zunahme gegeben, sagte Zobel. Insgesamt seien 58 junge Menschen direkt und 45 weitere mitangegriffen worden. Das entspricht ungefähr einer Verdoppelung der betroffenen Kinder und Jugendlichen gegenüber den Zahlen aus der Zeit von 2018 bis 2021. Nach Ansicht eines Sprechers des Flüchtlingsrats Thüringen hat diese Entwicklung auch damit zu tun, dass infolge des Ukraine-Krieges inzwischen sehr viel mehr geflüchtete Kinder und Jugendliche im Land leben als zuvor.

In der Statistik tauchen sowohl Fälle auf, bei denen sich Betroffene selbst an Ezra gewandt haben, als auch Fälle, über die zum Beispiel in den Medien berichtet worden ist. Nach Einschätzung der Opferberatung seien diese Zahlen jedoch nur »die Spitze des Eisbergs«. Sie liegen laut Ezra seit Jahren über den Zahlen, die von der Polizei als rechtsmotivierte Angriffe gezählt werden. Ein Grund dafür: Längst nicht jeder, der aus rechtsextremen Motiven heraus angegriffen wird, wendet sich an Polizei oder Justiz. Das hat viel, wenn auch nicht ausschließlich zu tun mit Misstrauen gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten von Geflüchteten oder Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren.

Nach Angaben von Zobel ereigneten sich viele der für 2022 registrierten Angriffe im Umfeld von Demonstrationen gegen Corona-Schutzmaßnahmen oder auch von Kundgebungen gegen die Politik der Bundesregierung im Ukraine-Krieg.

Die Opferberatung kritisierte die Reaktion der Justiz auf manche dieser Übergriffe scharf. So sei in einem Fall ein Über-70-Jähriger nach einem Angriff auf einen achtjährigen Jungen in einem Schwimmbad mit einer geringen Geldauflage davongekommen. Dies ist nach Ansicht von Ezra ein Beispiel dafür, wie viel insbesondere in der Thüringer Justiz noch dafür getan werden muss, dass rechtsmotivierte Straftaten konsequent geahndet werden. Es müsse dringend eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Hasskriminalität eingerichtet werden, sagte Zobel – und erneuerte damit eine Forderung von Ezra aus der Vergangenheit. Es sei immerhin ermutigend, dass Thüringens neue Justizministerin Doreen Denstädt (Grüne) für diese Überlegungen in einem nd-Interview eine gewisse Offenheit hatte erkennen lassen. Zobel erwarte nun, dass Denstädt »in den nächsten Wochen« einen Vorschlag dazu mache, wie eine solche Schwerpunktstaatsanwaltschaft noch in der bis Ende 2024 laufenden Legislaturperiode aufgebaut werden könne.

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