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Traummann auf Bestellung
»Tender Hearts« erzählt von menschlichen Sehnsüchten und der (Un-)berechenbarkeit der Liebe
Während führende Vertreter der Tech-Branche wie Tesla-Chef Elon Musk und Microsoft-Gründer Bill Gates über einen Entwicklungsstopp von künstlichen Intelligenzen (KI) wie Chat GPT diskutieren, um mögliche Risiken und Haftungsfragen zu klären, erzählen fiktionale Stoffe wie Pola Becks achtteilige Serie »Tender Hearts« unschuldig-romantisch von Roboterliebe.
Protagonistin Mila (Friederike Kempter) arbeitet als Computerspieleentwicklerin. Sie fühlt sich in ihrer smart eingerichteten Stadtwohnung wohl. Fast alle Geräte können sprechen. Auch beim Einkaufen ist Mila mit virtuellem Assistenten unterwegs. Während sie hoffnungsvoll für ihr nächstes Rendezvous Käse und Wein kauft, ruft ihr bester Freund Toni (Vladimir Korneev) aus einem Sexclub an. »Toni, schon klar. Du hast wilden Sex und ich, ich hab Käse,« beschwert sich Mila im Selbstgespräch. Schöner kann man ein Single-Leben nicht auf den Punkt bringen! Und doch wirken die ersten Minuten zu grell, um Spaß an der Serie zu haben. Muss man wirklich wissen, dass Milas Schwester Anja (Heike Makatsch) eine Schamlippenstraffung plant, um ihre Ehe zu retten? Unnatürlich wirkt auch die ständige Einbindung von englischen Wörtern. Mila wird mit den Worten »wakey, wakey« geweckt, Toni kommentiert ihr Verhalten als »supertoxic« und beim Shoppen heißt es »hot or not.« Im Moment eher not. Oder eben Bot.
Durch eine Anzeige von »Tender Hearts« wird Mila auf Abos für humanoide Liebesroboter, sogenannte Lovedroids, aufmerksam. Sie kann zwischen drei Typen wählen: Dem George-Clooney-ähnlichen »Reliable Ben«, den Surfertypen »Natural Bro« und dem Alltagsmann »Friendly Bo« (Madieu Ulbrich), der ihr auf Anhieb gefällt. Sie mietet sich den nicht gerade günstigen »Friendly Bo«. Bereits vor ihrer ersten Begegnung speist »Bo« Milas Vorlieben in seine Datenbank ein, indem er alle online verfügbaren Fotos und Videos scannt. Als es klingelt, erwartet Mila allerdings kein potenzielles KI-Date, sondern eine über 100 Kilogramm schwere, menschengroße Kiste mit Aufladekabel und Aufsätzen für sexuelle Begegnungen. Seine ersten Worte sind Computernerds wohl bekannt: »Hello World.«
Er begrüßt Mila und erklärt ihr, dass er auch essen und trinken darf, wenn sie regelmäßig den Beutel austauscht. Ein Tamagotchi für Fortgeschrittene also. Wie schön. Beim Küssen schmeckt Bo auch eher nach Plastik, aber Sex funktioniert ja auch ohne küssen. Dass Mila dabei von »Tender Hearts« überwacht wird, stört sie eher weniger. Sie wird ja schließlich gepixelt.
Es ist eine schöne Idee, die technikaffine Mila mit einem Lovedroid zusammenzubringen und nicht wie in Maria Schraders filmpreisgekröntem Science-Fiction-Gedankenspiel »Ich bin Dein Mensch« (2021) eine eher altmodische Protagonistin mit dem Roboter zu paaren. Denn Mila ist genau die Zielgruppe für solch ein Gerät. Fremdeln wird sie trotzdem. Ähnlich wie Alma (Maren Eggert) in »Ich bin Dein Mensch« wird auch Mila gegenüber der Maschine wütend werden. »Du bist nämlich nichts! Du bist niemand! Du bist nur ich«, fährt sie Bo an und schaltet ihn aus.
Einige Zeit später wird Bo für seine Robo-Rechte einstehen, doch bis dahin wirkt der lernbegierige Bo wie eine Mischung aus Wikipedia und putzender Sexpuppe. Während Milas Schwester Anja neugierig auf den Sex-Bo(t) ist, nennt ihn Toni abfällig »Walking Dick«. Keine leichte Situation für Mila, die Bo ganz klar an ihrer Seite sieht. Wunderbar spielt Friederike Kempter die eher zurückhaltende Mila, Madieu Ulbrichs freundlich-coole Mimik lässt uns glauben, er sei eine Mensch-Maschine. Alles in allem eine runde Geschichte, könnte man meinen. Wäre die Welt in »Tender Hearts« nicht zu konstruiert.
Das Team der Zentrale von »Tender Hearts« spricht das gleiche pseudofuturistische Englisch wie Mila, Toni und Co, und natürlich sind sie divers und international. Milas Freund Toni lebt die freie Liebe und Milas Schwester, na ja … das ist ja bereits bekannt. Schön hingegen ist, dass jede der vorgestellten Personen nach ihrem ganz persönlichen Glück strebt. Und wenn Mila ihr Glück ohne Rücksicht auf die Packungsbeilage für sich einfordert, dann erzählt sie damit eine durchaus unterhaltsame Parabel auf selbstbestimmte Liebe in einer durchkommerzialisierten, datenfressenden Welt.
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