Zweifel an Insel-Terminal

Gegen eine geplante LNG-Anlage bei Rügen formiert sich Protest – auch seitens der Landesregierung

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

Protest gegen das Vorhaben regt sich, seit aus dem Bundeswirtschaftsministerium bekannt geworden war: Um die Versorgung Deutschlands mit Erdgas weiter sicherzustellen, soll bei Mecklenburg-Vorpommerns Insel Rügen nahe Sellin ein zweites Terminal zum Anlanden von Gas entstehen. Ein erstes war Mitte Januar bei Lubmin in Betrieb genommen worden.

In der Bevölkerung war kurz nach Bekanntwerden der Pläne für Rügen Unmut dagegen laut geworden. Mitte Februar hatte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) das Vorhaben vorgestellt. Im Südosten der Insel, rund fünf Kilometer vor ihrer Küste, sollten zwei Plattformen errichtet werden: zum Festmachen von schwimmenden Erdgas-Terminals. An ihnen sollten LNG-Tanker das Flüssiggas abladen, das dann über eine Pipeline nach Lubmin gelangt. Von dort aus sollte der Energieträger ins deutsche Gasnetz gehen.

Der Protest gegen diese Pläne setzt sich seit Wochen auf der bei Urlaubern besonders beliebten Insel fort. Demonstrationen formierten sich, mehrere Bürgerinitiativen fanden sich zusammen, an den Ostertagen gab es allerlei Aktionen, über Mahnfeuer und Protestgetrommel bis zu einer Menschenkette, die über 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer entlang der Küste bildeten. Mit der Ablehnung eines Flüssiggasterminals muss sich zudem der Petitionsausschuss des Bundestages befassen. Die nötige Eingabe haben über 50 000 Menschen unterschrieben.

Mittlerweile ist, wohl nicht zuletzt wegen des immensen Widerstands aus der Bevölkerung, bei Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Bewegung in die Frage gekommen, ob die Küste bei Sellin der richtige Platz für das neue Terminal ist. Und auch aus Schwerin sind Zweifel der Landesregierung zu hören. Die Berliner Fachleute prüfen nun, ob der Hafen Mukran bei Sassnitz eine geeignete Alternative sein könnte. Zeitnah soll eine Entscheidung in dieser Frage getroffen werden, war aus der Bundeshauptstadt zu hören.

Unabhängig davon und von den kritischen Stimmen aus Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung hat inzwischen vor Sellin der Bau einer Plattform für Terminals begonnen, was zu erheblichem Unmut in der Öffentlichkeit führt.

Befürworter der Rügen-Pläne argumentieren, der Schiffsverkehr vor Rügen habe schon zugenommen, seit Anfang des Jahres das Lubminer Terminal in Betrieb ist. Der Import von Flüssigerdgas führe also bereits dazu, dass vor Rügen sichtbar mehr Schiffe unterwegs sind. Dort nämlich ankert ein Depot-Tanker, den ankommende Frachter mit Flüssigerdgas beladen. Er wiederum wird von Shuttle-Tankern angesteuert, die von ihm das Flüssigerdgas abholen und zum Weitertransport nach Lubmin bringen. Diesen Shuttle-Schiffen wird vorgeworfen, Strände zu verschmutzen und Lärm zu machen. Die Anbindung der Lieferanten durch ein LNG-Terminal vor Rügen würde diese Shuttle-Fahrten überflüssig machen, heißt es.

Ablehnend steht indes die Initiative »Lebenswertes Rügen« dem LNG-Konzept für die Insel gegenüber. Ihre Sprecherin Stefanie Dobelstein befürchtet: Am Terminal, das vom Ufer aus sichtbar sein werde, würden künftig »vier riesige Schiffe fest vertäut liegen: jeweils 300 Meter lang, 43 Meter breit und 50 Meter hoch«. Diese Industrieanlage liege dann in einem Bereich, durch den die Heringsschwärme zum Laichen in den Greifswalder Bodden zögen. Hinzu käme der Schiffsverkehr, um das LNG anzuliefern. Dobelstein nannte das LNG-Beschleunigungsgesetz eine Katastrophe, bei der sowohl der Naturschutz als auch die Interessen der Menschen auf der Strecke zu bleiben drohten.

Als völlig überdimensioniert bezeichnet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Rügen-Projekt. »Der Bau des Terminals nur wenige Kilometer vor der Küste Rügens wäre eine beispiellose Industrialisierung der Ostsee«, so ein Verbandssprecher. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) mahnt: »Mitten in der Klimakrise plant die Ampel ein Giga-Terminal für Flüssiggas vor Rügen – inklusive Pipeline zum Festland. Es wäre das größte LNG-Terminal in der EU – für einen fossilen Energieträger, von dem wir eigentlich schnellstmöglich loskommen müssen.« Das Projekt sei unnötig, denn Deutschland habe bereits ausreichend LNG-Kapazitäten.

»Es ist gut, dass die Bundesregierung nach Alternativen zu Sellin sucht«, erklärte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Die Suche bleibe schwierig, denn das Ziel Energiesicherheit müsse mit der Akzeptanz bei der Bevölkerung sowie dem Tourismus in Einklang gebracht werden. Umweltminister Till Backhaus (SPD) sagte dem NDR, er sei erleichtert, dass das Bundeswirtschaftsministerium die zahlreichen Bedenken, die die Landesregierung in puncto Rügen-Terminal vorgetragen habe, anerkenne.

Laut Backhaus gibt es neben Mukran weitere Alternativen: weiter entfernt von der Küste auf der Ostsee sowie die Nutzung einer dort bereits verlegten Nord-Stream-Leitung. »Diese Fragen stehen im Raum.« Zugleich sei zu fragen, so Backhaus: »Ist der Bedarf überhaupt wirklich notwendig?«

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