AKW Isar 2: Viel Streit ums Atom

Bayern möchte das Atomkraftwerk Isar 2 behalten – und bekommt dafür heftig Gegenwind

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.
Geht es nach Ministerpräsident Markus Söder soll das AKW Isar 2 noch länger am Netz bleiben.
Geht es nach Ministerpräsident Markus Söder soll das AKW Isar 2 noch länger am Netz bleiben.

Die letzten drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke sind am späten Samstagabend abgeschaltet worden, darunter auch Isar 2, in der Nähe des niederbayerischen Landshut. Für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist die Sache damit jedoch noch nicht endgültig erledigt. Er forderte in der »Bild am Sonntag«, das Atomgesetz noch einmal so zu verändern, dass die Zuständigkeit für die Atomkraft den Ländern übertragen werde. Damit könnte Bayern den Meiler Isar 2 in eigener Regie weiterbetreiben.

An Söders Vorschlag regte sich schnell zahlreiche Kritik. So pochte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auf die Zuständigkeit des Bundes für die Atomkraft und verwies darauf, dass die Länder bei dem Thema im Bundesauftrag handelten. »Es ist geradezu bedrückend, wie ein Ministerpräsident genehmigungs- und verfassungsrechtliche Fragen und Aspekte der nuklearen Sicherheit so leichtfertig ignoriert«, sagte die Grünen-Politikerin der »Süddeutschen Zeitung«. »Selbst wenn man den Reaktor, wie Herr Söder es offensichtlich will, wieder ans Netz bringen möchte, reicht es dazu nicht, ihm eine neue Laufzeit rechtlich einzuräumen. Es bedürfte quasi einer Neugenehmigung des Reaktors.«

Auch der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte, Söder werfe sich »mit großer Geste hinter einen abgefahrenen Zug«. Die Zuständigkeit für die Kernenergie liege nach dem Grundgesetz beim Bund, die Länder führten diese lediglich im Auftrag des Bundes aus. »Das gilt auch für Bayern«, betonte Trittin. Aus Sicht von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hat Söder mit seinem Vorstoß implizit eine Zusage gegeben, Atommüll in Bayern zu lagern, wie sie in der ARD-Sendung »Anne Will« sagte.

Das Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung hatte Söders Forderung ebenso eindeutig kritisiert. Sie unterstrichen, »wie wichtig es ist, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liegt«, sagte Präsident Wolfram König. »Bundestag und alle Bundesländer einschließlich Bayern haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht.« Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.

Selbst bei der FDP, die sich vor der Abschaltung der letzten Meiler in Deutschland für längere AKW-Laufzeiten eingesetzt hatte, sorgte Söders Forderung für Verwunderung und Kritik. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machte deutlich, dass die Partei Sympathie für einen längeren AKW-Betrieb habe. Djir-Sarai sagte aber in Richtung Söder: »Bis ein Gesetz zur Föderalisierung der Stromerzeugung aus Kernenergie beschlossen wäre, hätte er seine Meinung vermutlich wieder geändert.« Als bayerischer Umweltminister habe Söder den Atomausstieg auch noch vorangetrieben. FDP-Vize Johannes Vogel äußerte sich ähnlich. »Markus Söder wechselt seine Positionen ja wie Unterhosen«, sagte Vogel in der ARD-Sendung »Anne Will«. »So jemand Erratischem würde ich ungern die Verantwortung für Energiepolitik geben«, fügte Vogel hinzu.

Zustimmung erhielt Söder von CDU-Politikern. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann hofft, dass Markus Söders Vorschlag für einen Weiterbetrieb des Atomkraftwerkes Isar 2 in Landesverantwortung zumindest ernst genommen wird. »Rechtlich braucht er eine Mehrheit und muss ein Bundesgesetz ändern, so ist es«, sagte Linnemann zu Söders Vorschlag. »Aber dass Politiker erst mal eine Meinung haben in so einer Situation, wo wir eine ganz andere Lage haben als vor zehn Jahren, finde ich richtig.« Deutschland befinde sich derzeit in einer »Notsituation«, sagte der CDU-Vize. Denn »ein Drittel der Firmen, die mittlerweile im Ausland investieren, investieren ausschließlich aus Kostengründen im Ausland«. Der ehemalige Gesundheitsminister und Unionsfraktionsvize Jens Spahn schrieb auf Twitter, es brauche jetzt pragmatische Lösungen. »Wenn Bayern bereit ist, die politische und fachliche Verantwortung für den Weiterbetrieb zu übernehmen, sollte der Bund dies ermöglichen«, betonte er.

Atomenergie ist auch international ein umstrittenes Thema. Die europäischen Länder gehen ganz unterschiedlich mit der Atomkraft um. In Belgien sollen die Atomkraftwerke bis mindestens Ende 2035 weiterlaufen können. Die Schweizer Kernkraftwerke dürfen so lange betrieben werden, wie sie sicher sind. Der Bau neuer Kernkraftwerke ist jedoch verboten. Die linke Regierung Spaniens will alle Kernkraftwerke des Landes zwischen 2027 und 2035 schließen. Italien ist schon im Zuge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl von 1986 aus der Kernenergie ausgestiegen. Mit Agenturen

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.