- Politik
- Klimaproteste
Letzte Generation: Haft wegen erneuter Straßenblockade
Die bislang härteste Strafe für Mitglieder der Letzten Generation
Weil sie direkt nach einer Verurteilung wieder eine Straße blockierten, müssen drei Aktivist*innen der Letzten Generation nun für mehrere Monate ins Gefängnis. Nach neunstündiger Verhandlung verurteilte Julia Schmitt, Richterin am Amtsgericht Heilbronn, zwei Männer und eine Frau wegen Nötigung zu Freiheitsstrafen von fünf, vier und drei Monaten ohne Bewährung – die Staatsanwaltschaft hatte bis zu acht Monate Haft gefordert. Das Urteil ist laut Staatsanwaltschaft und Aktivist*innen das bislang härteste, das in Deutschland gegen Mitglieder der Letzten Generation verhängt wurde. Ein weiterer Angeklagter wurde zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
»Ich will nicht ins Gefängnis, diese Strafe macht mir enorme Angst«, sagte einer der verurteilten Aktivisten. Der 22-jährige Daniel Eckert erklärte direkt nach der Urteilsverkündung am Montagabend: »Aber solange die wahren Kriminellen nicht vor Gericht gestellt werden, sondern die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ungehindert weiter vorantreiben und daraus Profit schlagen, kann ich nicht anders, als mich der Zerstörung in den Weg zu stellen.«
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Aktivist*innen um Eckert aus Protest die Bundesstraße 27 in Heilbronn blockiert haben. Drei der vier Angeklagten waren bereits am Vormittag der nun angeklagten Aktion wegen einer anderen Straßenblockade zu Geld- und kurzen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Die damaligen Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig, da die Aktivist*innen Rechtsmittel eingelegt haben. Nur wenige Stunden nach dem ersten Urteil saßen sie direkt wieder auf der Straße.
Damit begründete auch Richterin Schmitt das Strafmaß: »Sie haben das erste Urteil nicht zum Anlass genommen, Ihr Verhalten zu hinterfragen«, sagte sie zu den Angeklagten und ergänzte: »Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass Sie nichts anderes beeindruckt.«
Der ebenfalls verurteilte 37-jährige Altenpfleger Rüdiger Einholz rechtfertigte seine Aktionen hingegen: »Friedlicher, ziviler Protest gehört zur Geschichte der Demokratie. Durch Aktionen des zivilen Ungehorsams sind Frauenwahlrechte erkämpft oder die Aufhebung der Rassentrennung in den USA herbeigeführt worden. Mit unseren gewaltfreien Protesten wollen wir anknüpfen an das, was schon erreicht wurde und die Grundrechte auch für künftige Menschen schützen«.
Während des Prozesses betonten die Angeklagten, sie hätten mit der Protestaktion auf die aus ihrer Sicht mangelhaften Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels aufmerksam machen wollen. »Ich möchte später zu den Menschen gehören, die sagen können: Ich habe alles in meiner Macht stehende getan, um den Klimawandel aufzuhalten«, sagte Daniel Eckert.
Nach den letzten Worten eines Angeklagten begannen die übrigen Angeklagten im Gerichtssaal, gemeinsam zu singen. Teile des Publikums applaudierten. Die Richterin ließ den Saal kurzzeitig räumen und schloss Teile der Zuschauer*innen von der Verhandlung aus. Schon zuvor hatte es immer wieder Applaus aus dem Zuschauerraum und Ermahnungen der Richterin gegeben. Vor dem Gericht gab es eine Mahnwache, bei der sich rund 30 Personen beteiligten. Sie trugen Plakate mit Botschaften wie »Klimaschutz ist kein Verbrechen« sowie »Klima-Zerstörer vors Gericht, nicht die Klima-Aktiven« und sicherten den Verurteilten ihre Solidarität zu. »Wir versuchen, sie so gut wie möglich zu unterstützen, aber alle, die in den Protest gehen, sind sich bewusst, dass sie dafür ins Gefängnis gehen können«, sagte Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation, dahingehend am Dienstag vor Journalist*innen in Berlin.
Im Heilbronner Gericht wurde gegen die Aktivist*innen ein spezielles Schnellverfahren angewendet. Heilbronn nimmt an einem Modellprojekt in Baden-Württemberg teil, in dem beschleunigte Verfahren getestet werden. Die erste Blockade in Heilbronn fand erst vor gut sechs Wochen statt. »Das Urteil zeigt erneut die mangelnde gesellschaftliche und zukunftsgerichtete Verantwortung der Gerichte, die ein hartes Urteil über friedlichen Protest gefällt haben, während die Regierungen unser aller Überleben aufs Spiel setzen«, sagte Max Wallstein, ein weiterer Sprecher der Letzten Generation, zu »nd«.
Am gleichen Tag entschied das Verwaltungsgericht in Berlin, dass ein präventives Anklebe-Verbot für Klima-Aktivist*innen rechtlich nicht zulässig ist. Eine Aktivistin hatte in der Hauptstadt geklagt und Recht bekommen, dass das bisherige Verbot zu unbestimmt sei. Die Polizei hatte einer Demonstrantin im Dezember vergangenen Jahres verboten, sich bis Juni 2023 erneut an Straßenblockaden zu beteiligen. Zugleich drohte sie ihr ein Zwangsgeld von 2000 Euro an. Die Frau war bei Blockaden der Letzten Generation mehrmals festgenommen worden. Sie gefährde die Allgemeinheit, so die Polizei. Die Frau zog dagegen vor Gericht. Das Verwaltungsgericht gab ihrem Eilantrag statt – allerdings nur, weil die Polizei die betroffenen Straßen nicht präzise bestimmt hatte. »Zur Rechtmäßigkeit des Bescheides im Übrigen machte das Gericht keine Ausführungen«, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!