Krankenhausreform: Zentralisierung kann Leben retten

Die gängige Praxis der Behandlung von Tumoren der Bauchspeicheldrüse zeigt, warum eine Krankenhausreform unverzichtbar ist

Die menschliche Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas genannt, wiegt nur 70 Gramm und hat eine Länge von 15 bis 20 Zentimetern. Das Organ kann sich zwar auch schmerzhaft entzünden, aber meist bleibt es unauffällig. Kritisch wird es jedoch, wenn sich an der Drüse ein Karzinom entwickelt. Diese Tumore gehören zu den aggressivsten, die beim Menschen bekannt sind. Jedoch haben sich in den vergangenen zehn Jahren die Überlebenszeiträume für alle Tumorstadien verdoppelt, wie Jens Werner in dieser Woche am Rande des 140. Deutschen Chirurgiekongresses in München berichtete.

Das sind gute Nachrichten, obwohl die Sterblichkeit rund um eine Pankreas-OP in Deutschland immer noch erschreckend hoch ist: Zehn Prozent der Patienten sterben. »Diese hohe Letalität kommt daher, dass in vielen Kliniken Deutschlands nur wenige Pankreas-Operationen durchgeführt werden«, weiß Werner. In 650 Kliniken hierzulande stehen diese Eingriffe auf dem Programm, etwa 400 von ihnen rechnen weniger als fünf Fälle pro Jahr ab – und das, obwohl es für die Leistung eine vorgeschriebene Mindestanzahl von zehn Fällen pro Jahr gab, die ab diesem Jahr verdoppelt wurde. Eigentlich dürften die Kliniken diese Eingriffe nicht mehr abrechnen und auch nicht durchführen, wenn sie die Mindestanforderung unterschreiten. Dennoch scheint die Vorgabe relativ leicht umgehbar zu sein.

Werden die Patienten in einem Pankreas-Zentrum behandelt, liegt die Sterblichkeit unter fünf Prozent. In Kliniken, die mehr als 50 Eingriffe im Jahr durchführen, sinkt sie weiter auf zwei bis vier Prozent.

Zentralisierung ist auch deshalb aus Sicht Werners und vieler seiner Fachkollegen dringend nötig. Der Spezialist für chirurgische Onkologie begründet das nicht nur damit, dass die Operateure immer versierter würden, je mehr Patienten sie behandelten. »Auch die ganze Umgebung spielt eine wichtige Rolle: die Teams im OP, die Stationsärzte und die Pflegenden.« Im Bereich der Pankreas-Chirurgie würde unter anderem eine gute Intensivstation sowie ein intervenierender Radiologe in der Klinik gebraucht, um für alle Fälle gerüstet zu sein.

Das Thema Zentralisierung ist auch Gegenstand der anstehenden Krankenhausreform. Bezogen nicht nur auf die Pankreas-Chirurgie würden laut Werner vor allem ältere, ökonomisch schwächere Patienten davon profitieren, zudem jene, die nicht in der Lage sind, wichtige Informationen über das Gesundheitswesen selbst zu finden. »Ein 40-jähriger Berufstätiger, der privat versichert ist, findet den Weg zum besten Experten auch nach München, selbst wenn er in Hamburg lebt.« Für die meisten anderen Patienten wäre es von Nutzen, wenn spezialisierte Zentren gleichmäßig bundesweit zu finden sind – eine Zielstellung, die mit der Krankenhausreform ebenfalls erreicht werden soll.

Für die Berufsgruppe insgesamt erklärt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Thomas Schmidt-Rixen: »Bedauerlicherweise hängt die Lebenserwartung Betroffener derzeit von deren Krankenhauswahl ab. Bei der Frage, welche Operationen in welchem Klinikum angeboten werden, muss daher die Qualität eine größere Rolle spielen.« Deshalb begrüßen die Chirurgen die angestrebte Einteilung der Kliniken nach Leistungsgruppen. Demnach dürften bestimmte Behandlungen in Zukunft nur in dafür qualifizierten Häusern erbracht werden.

Das Reformprozedere, bislang von widerstreitenden Interessen und lautstarken Gegenmeinungen zum Reformentwurf gekennzeichnet, machte auch den Fachärzten zunächst wenig Freude. Sie sahen sich bei der Zusammensetzung der zur Reform beratenden Regierungskommission übergangen. Inzwischen hat das Gesundheitsministerium zumindest hier eingelenkt. Die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) soll nun doch ihre Expertise in die Reform einbringen. Sie steht für 180 solcher Gesellschaften, von denen wiederum 80 explizit in Kliniken tätige Mediziner vertreten.

Die zehn chirurgischen Fachgesellschaften haben sich auf Eckpunkte für die Reform geeinigt. So sollte die Planung künftig nicht allein für Krankenhäuser stattfinden, sondern der ambulante Bereich integriert werden. Das zeigt, dass die Chirurgen dafür offen sind, dass eine ganze Reihe von Eingriffen auch ohne stationäre Aufnahme durchgeführt wird. Befürchtungen haben die Ärzte offenbar in Sachen Finanzierung, weil sie eine saubere Trennung der Vorhaltekosten (also eine Vergütung von Strukturen einschließlich Personal, ohne dass hier schon Leistungen erbracht werden) und der eigentlichen Leistungsfinanzierung erwarten, die Investitionskosten nicht zu vergessen. Alle Bundesländer haben hier Bringschulden, obwohl eine gesetzliche Verpflichtung besteht. Ihre jahrzehntelange Nichterfüllung hat zur Schieflage der Krankenhausfinanzen beigetragen und in der Folge die Pflege geschwächt, auf deren Kosten gespart wurde. Aktuell verschärft sich die Personalnot noch: Immer mehr Ärzte und Pflegekräfte kommen selbst ins Rentenalter, zugleich nimmt die Zahl der mehrfach erkrankten Hochaltrigen weiter zu. Auch deshalb führt an einer ernsthaften Krankenhausreform kein Weg vorbei.

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