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Gesetzlose EU-Grenze
Daniel Säwert zur Legalisierung von Pushbacks in Litauen
Europa – das ist der Kontinent der Freiheit und der Menschenrechte. Das erfährt man etwa, wenn man das Büro der Europäischen Union in Berlin besucht. Wir Europäer sind stolz auf die Freiheiten, die wir errungen haben. Und Politiker*innen werden nicht müde, das immer wieder zu betonen. Vor allem, wenn es um den Vergleich mit Staaten wie Russland oder Belarus geht.
Doch der Kontinent der Freiheit rückt zunehmend gefährlich von seinen Idealen ab. Europa wird immer selektiver bei der Frage, für wen Freiheit und Menschenrechte eigentlich gelten. An den Grenzen entstehen immer mehr Mauern, um arme (Afrikaner*innen und Menschen aus dem asiatischen Raum) und böse Menschen (Russ*innen) aufzuhalten.
Es ist unerheblich, ob die Regime in Minsk oder Moskau Geflüchtete als »menschliche Waffe« an der Ostgrenze der EU einsetzen. Auch für diese gelten Menschenrechte. Bereits im Sommer 2022 hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Recherchen zu den rechtswidrigen Praktiken litauischer Grenzbeamt*innen gegenüber Geflüchteten veröffentlicht. Dazu gehörten grausame und grundlose Angriffe mit Schlagstöcken oder Elektroschockgeräten, Steinwürfe auf Geflüchtete sowie Angriffe mit Gummigeschossen und Tränengas.
Doch von Einsicht oder gar Aufklärung will in der baltischen Republik niemand etwas wissen. Dass das Parlament jetzt Pushbacks mit großer Mehrheit genehmigt hat, bezeichnet Amnesty als »eklatant rechtswidrig«. Und die Menschenrechtler haben recht. Vielleicht war das Kalkül der Parlamentarier*innen in Vilnius, dass angesichts des Krieges und der Verbrechen in der Ukraine schon niemand so genau hinschaut, was in ihrem Land geschieht. Doch die EU und mit ihr die Bundesregierung dürfen nicht wegsehen, wenn ein Mitgliedsland Menschen misshandelt und dem Tod aussetzt.
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