Linke in Brandenburg: Parteitag des Friedens

Brandenburg zeigt: Die Linke muss kein zerstrittener Haufen sein

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Es geht auch freundlich: Katharina Slanina, Sebastian Walter, Andreas Eichner und Christoffer Neumann (v.l.)
Es geht auch freundlich: Katharina Slanina, Sebastian Walter, Andreas Eichner und Christoffer Neumann (v.l.)

2024 ist in Brandenburg Landtagswahl. Die oppositionelle Linke ist bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen, sagte der Landesvorsitzende Sebastian Walter am Samstag beim Parteitag im Klubhaus von Ludwigsfelde. Doch die Linke steht in den Umfragen aktuell bei zehn Prozent, die AfD führt dagegen mit 25 Prozent.

»Das macht auch mir Kopfzerbrechen«, sagte Teltow-Flämings Landrätin Kornelia Wehlan (Linke). Sie begrüßte die 114 Delegierten im Klubhaus und erklärte: »Viele haben sich abgewendet. Von der Linken, aber auch den anderen demokratischen Parteien.« Waffenlieferungen machten Deutschland zum Ziel für Flüchtlinge und die Energiepreise könnten dazu führen, dass Betriebe abwandern – so redeten die Menschen, sagte Wehlan. »Es ist schwer, dem täglich etwas entgegen zu setzen.« Tatsächlich solle Teltow-Fläming dieses Jahr noch 1767 Flüchtlinge aufnehmen. Aber die Kapazitäten zur Unterbringung seien erschöpft. Andererseits, so betonte Wehlan, gebe es unter den 175 000 Einwohnern im Landkreis nur 14 000 mit Migrationshintergrund, und die seien überwiegend eben keine Belastung für die Sozialkassen.

Mit der Brandenburger Koalition rechnete Parteichef Walter ab: Die SPD mache Politik für Milliardäre, konkret für Tesla-Boss Elon Musk. Die Grünen hätten kaum mehr erreicht als Prämien für Lastenfahrräder. Die CDU sei teils rechtsoffen, worüber »Sonnyboy« Jan Redmann, ihr Landesvorsitzender, nicht hinwegtäuschen könne. Walter kündigte eine Volksinitiative für kostenloses Schulessen an, damit Kinder nicht hungern. Zum Zustand der eigenen Partei sagte Walter, angesichts der Streitereien in der Bundespartei sollte Brandenburg beweisen, dass es auch anders gehe. »Wer sind wir denn, dass wir die Partei von Liebknecht und Luxemburg einfach wegwerfen?«, fragte Walter. »Wir haben eine historische Verantwortung«, betonte er mit Blick auf eine mögliche Spaltung.

Es gab Austritte. Der stellvertretende Landesvorsitzende Justin König verließ im März die Partei. Aber es gab seit Jahresbeginn auch 42 Eintritte. Vier Neumitglieder waren am Samstag im Klubhaus und wurden mit Blumen beschenkt. Blumen bekam auch Christopher Neumann, der allerdings bereits 2004 in die Partei eintrat. 2003 besuchte er noch die 9. Klasse. Neumann hatte sich zu spät um ein Schülerpraktikum gekümmert und es dann kurzerhand in der Kreisgeschäftsstelle in Cottbus absolviert. Es war die Zeit von Nazi-Aufmärschen und Hartz IV. »Dieser Laden, diese Partei – das wird deine politische Heimat«, erkannte Neumann damals. Inzwischen wurde er Kreisvorsitzender und jetzt sogar als Ersatz für Justin König Vizelandesvorsitzender.

Mit 59 zu 50 Stimmen setzte sich Neumann beim Parteitag in einer Stichwahl gegen den 37-jährigen Candy Boldt-Händel aus Oranienburg durch. Der dritte Bewerber Andreas Eichner aus Schönefeld hatte zuvor 20 Stimmen erhalten. Alle drei sprachen sich für Frieden und gegen eine Spaltung der Partei aus. Boldt-Händel sagte, er habe »irre Lust« zu zeigen, »dass wir kein zerstrittener Haufen sind«. Der Sohn von Genossenschaftsbauern, die trotz Arbeitslosigkeit nicht ihren Optimismus verloren, zitierte Karl Liebknechts berühmten Aufruf »Trotz alledem« von 1919: »Die Geschlagenen von gestern werden die Sieger von morgen sein.«

Andreas Eichner stellte klar, dass er nicht mit allem einverstanden sei, was die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (Linke) sage. Aber er sei am 25. Februar auf ihrer Friedenskundgebung am Brandenburger Tor in Berlin gewesen. Er habe dort gespürt, dass sich nicht etwa nur »Lumpenpazifisten« und »Putin-Versteher« Friedensverhandlungen für die Ukraine wünschen, sondern ein großer Teil der Bevölkerung. Rechtsoffen war die Kundgebung nach seiner Einschätzung »mit Sicherheit nicht«. Dass sich immer nur Wagenknecht für ihre Positionen rechtfertigen solle, versteht Eichner nicht. Warum nicht auch diejenigen in der Partei, die Waffenlieferungen befürworten?

Wie Genossen besser miteinander umgehen sollten, demonstrierten die drei Bewerber. Nachdem Neumann gewählt war, gab es keine bösen Blicke. Die drei Männer schüttelten sich im Gegenteil fair und freundlich die Hände. Erst später kochte der Streit bei anderen wieder hoch. So sagte der einstige Berliner PDS-Abgeordnete Freke Over: »Ich habe keine Angst vor Austritten. Ich habe auch keine Angst vor einer zweiten linken Partei.« Over zweifelte an, dass eine Neugründung mit Wagenknecht an der Spitze überhaupt eine linke Partei wäre.

Von der anderen Seite warnte Artur Pech, Linksfraktionschef im Kreistag Oder-Spree, Formelkompromisse zur Wahrung des innerparteilichen Friedens würden niemanden befriedigen und nur in den Untergang führen. Es gab zwei oder drei kurze Wortgefechte, aber mehr auch nicht in neun Stunden Parteitag.

Der Landesverband stimmte sich auf das Superwahljahr 2024 ein. »Ein Erfolg bei den Kommunalwahlen ist der Grundstein für einen Erfolg bei der Landtagswahl«, meinte die Co-Landesvorsitzende Katharina Slanina. Abgestimmt wird auch über das Europaparlament. Die Berlinerin Frederike Gronde-Brunner stellte sich vor. Sie arbeitet für den Europaabgeordneten Helmut Scholz (Linke), dessen Platz sie einnehmen möchte, wenn er nach der Europawahl 2024 aufhört. Scholz ist jetzt 68 Jahre alt und hat 15 Jahre im EU-Parlament gesessen. Er befürwortet die Kandidatur seiner Mitarbeiterin, die mit Unterstützung der Landesverbände Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nominiert werden soll. Aber auch Martin Günther aus Brandenburg will sich um einen Platz auf der Liste bewerben.

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