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Das Ende einer Institution droht
Die renommierte »Wiener Zeitung« steht als weltweit älteste Tageszeitung vor dem Aus
320 Jahre ist sie alt, die weltweit älteste Tageszeitung: die »Wiener Zeitung«. Derzeit sieht es danach aus, dass sie ihren 321. Geburtstag nicht erleben wird. Im Verfassungsausschuss des Nationalrats in Wien wurde jetzt das Ende für das Blatt beschlossen, womit die Medien-Krise in der Alpenrepublik nach Inseraten-, Umfragen- und Beeinflussungsskandalen auf ein neues Level gehoben wird. ÖVP und Grüne haben am vergangenen Dienstag für das Medienpaket der Bundesregierung im Verfassungsausschuss des Nationalrats gestimmt. Die Vertreter der Oppositionsparteien in dem Gremium stimmten geschlossen dagegen.
Die »Wiener Zeitung« ist eine Institution: staatstragend in der Aufmachung – frei in der Praxis. Sie ist Amtsblatt, doch sie besitzt einen besonderen journalistischen Freiraum in Österreichs vom Boulevard dominierter Medienlandschaft. Diesen nutzt die Redaktion der »Wiener Zeitung« für einen ohne großen Verkaufsdruck produzierten Qualitätsjournalismus, der sich an der Relevanz statt an Schlagzeilen orientiert.
Die Schließung des Blatts, das sich vollständig im Eigentum der Republik befindet, ist im Koalitionsvertrag zwischen der ÖVP und den Grünen vereinbart worden. Der Plan lautet: Einstellung der Druck-Version und Reduzierung des Onlineauftritts der Zeitung. Vor allem aber beinhaltet er ein Ende der Tagesberichterstattung. Im Gesetzespaket heißt es, es solle ein »Media Hub Austria« gegründet werden, auch von einer Qualitätsjournalismus-Förderung ist die Rede und von einem »Praxisprogramm«. Die »Wiener Zeitung« soll demnach eine vom Staat betriebene Journalismus-Akademie werden.
Besorgniserregend ist vor allem, in welchem Umfeld das gerade stattfindet. Aus einbrechenden Märkten und steigenden Produktionskosten resultieren Einsparungen und Kündigungen in vielen Medienhäusern. Vor allem aber ist da auch auch eine Serie an Skandalen, was die Verstrickung zwischen Medien und Politik angeht.
Dazu gehören nicht nur Fälle von Berichten aus Gefälligkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ÖRF. Da war der riesige Skandal um aus dem Budget des Finanzministeriums finanzierte Umfragen, die zugunsten von Sebastian Kurz (ÖVP) frisiert worden waren. Da war die bis zum Irrwitz überdimensionierte Pressestelle des damaligen Kanzlers Kurz, die zeitweilig auf die Nasen-Zahl einer großen Zeitungsredaktion angewachsen war. In anderen Fällen geht es um direkte Einflussnahme von Politikern auf Berichterstattung und auch Personalia in großen Medienhäusern.
Während im Reigen der Skandale fast alle Medienhäuser an Ansehen verloren haben, ist als eine der wenigen Redaktionen im Land ausgerechnet die staatliche »Wiener Zeitung« davon verschont geblieben. Eben weil sie mit einem integren Journalismus die Rolle einer öffentlich rechtlichen Zeitung im besten Sinne gespielt hat. Dass jetzt ausgerechnet ein von der ÖVP nominierter Geschäftsführer und Aufsichtsrat die Medienakademie »Wiener Zeitung« lenken soll, ist nicht gerade vertrauensbildend.
Das allerletzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Dafür braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat, der Abgeordnetenkammer des österreichischen Parlaments. ÖVP und Grüne können das Ende der Zeitung somit nicht alleine besiegeln. Die Abstimmung über die Novelle des Medientransparenzgesetzes wird voraussichtlich noch im April erfolgen.
Im Verfassungsausschuss gab es zwar ein Nein der Opposition zum Aus der »Wiener Zeitung« in der jetzigen Form. Sozialdemokraten und liberale Neos forderten mehr Zeit für die Prüfung von Alternativen. Allerdings ist die Schließung Teil eines Paketes, das bei der Vergabe von Inseraten durch die öffentliche Hand mehr Transparenz und Berichtspflichten vorsieht. Außerdem sollen 20 Millionen Euro in die Förderung des Qualitätsjournalismus fließen.
Daher wird davon ausgegangen, dass es mit Stimmen aus der SPÖ und der FPÖ doch die Zwei-Drittel-Mehrheit für das Vorhaben geben wird. Der breite öffentliche und der Protest der Redaktion der »Wiener Zeitung« gegen die Schließung haben bei der Bundesregierung kein Umdenken bewirken können. Angebote zu einem privatwirtschaftlichen Weiterbetrieb des Zeitungs-Veterans sollen ausgeschlagen worden sein.
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