Axel Springer: Weltbild der Hässlichkeit

Sheila Mysorekar über Mathias Döpfner und den Springer-Verlag

  • Sheila Mysorekar
  • Lesedauer: 3 Min.

Was hinter der Fassade des Axel-Springer-Verlags abläuft, ist unschön. Und je mehr man davon erfährt, umso unschöner wird es. Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Machtmissbrauch, maßlose Arroganz: Wer die »Bild« kennt, hat ohnehin nie geglaubt, dass dahinter feingeistige Menschenfreunde stehen.

In den vergangenen Wochen zeigte sich jedoch, dass der Rassismus und die Frauenfeindlichkeit, die bei den verschiedenen Springer-Erzeugnissen in verschiedenen Abstufungen zu finden sind, sich von ganz oben bis in jede Ecke des Verlages ziehen. In privaten Nachrichten, die Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner an Vertraute schrieb, offenbarte sich sein Weltbild in aller Hässlichkeit. Das wäre mir ja egal, wenn Döpfner nicht der Chef des mächtigsten Medienkonzerns in Deutschland wäre – und sogar einer der einflussreichsten Medienkonzerne weltweit. Springer-Medien treiben die Politik nach rechts, wo immer es geht. Die rassistisch getönte Debatte um Migration wird maßgeblich von der »Bild«-Zeitung bestimmt. Deswegen ist es keineswegs Privatsache, was der Vorstandsvorsitzende um Mitternacht in sein Handy tippt und an seine Männerkumpels in der Redaktion schickt. Der Fisch stinkt vom Kopf her.

Sheila Mysorekar
Sheila Mysorekar ist Journalistin und war langjährige Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen. Heute ist sie Vorsitzende der Neuen Deutschen Organisationen, einem bundesweiten Netzwerk aus rund 180 postmigrantischen Organisationen. Für »nd« schreibt sie die monatliche Medienkolumne »Schwarz auf Weiß«.

So schrieb Döpfner unter anderem, dass Ostdeutsche »entweder Nazis oder Kommunisten« seien. Und er bezeichnete Muslime als »Gesocks«. Im Wortlaut: »Fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs«. Viele Medien berichteten kritisch bezüglich seiner Bemerkung über Ostdeutsche; Döpfner musste sich öffentlich entschuldigen. Aber der mediale Aufschrei bezüglich seiner Ansichten über Muslim*innen blieb aus. Konsequenterweise gab es auch keine Entschuldigung.

Es ist bitter, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Die meisten Medien halten antimuslimischen Rassismus anscheinend entweder für so normal oder für so unwichtig, dass man nicht gesondert darüber berichten muss. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge leben rund 5,5 Millionen Muslim*innen in Deutschland. Die meisten von ihnen sind Deutsche. Wieso werden diffamierende Aussagen über sie nicht ähnlich kritisch gesehen wie Ressentiments gegenüber Ostdeutschen?

Die privaten Chats des Springer-Chefs sind entlarvend. Dadurch wird klar, dass die oft diskriminierende Berichterstattung über Muslim*innen in Springer-Medien keine Ausrutscher einzelner Redakteur*innen sind, sondern eine durchgängige Politik – gewiss nicht schriftlich fixiert, aber verankert in der Kultur des Hauses.

Private Medien können – im Rahmen der Gesetze – so diskriminierend sein, wie sie wollen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in Deutschland öffentlich-rechtliche Medien haben: Nur sie sind unabhängig vom Staat (weil gebührenfinanziert), aber auch unabhängig von Werbekunden und reichen Sponsoren (weil gebührenfinanziert). Und sie sind der gesamten Gesellschaft verpflichtet, nicht nur einem Auftraggeber. Das gibt den Journalist*innen dieser Sender die Möglichkeit und die Pflicht, kritisch über die Regierung zu berichten. Ebenso kritisch über Unternehmen, aber auch über andere Medienunternehmen.

Viele Medien haben die neuesten Skandale im Hause Springer recherchiert: Sie haben die sexuelle Belästigung seitens des früheren »Bild«-Chefredakteurs Julian Reichelt aufgedeckt; sie berichten über die Einflussnahme Döpfners auf die Innenpolitik; sie besprechen den gerade erschienenen Schlüsselroman des Autors und früheren Springer-Mitarbeiters Benjamin von Stuckrad-Barre. All das ist wichtig. Aber es ist ebenso wichtig, den antimuslimischen Rassismus zu skandalisieren. Wer in der Berichterstattung die größte nicht-christliche religiöse Gruppe in diesem Land diskriminiert und Menschen gegeneinander aufhetzt, gefährdet den sozialen Frieden.

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