Rassismus: Wegsehen ist für die meisten keine Option

Studie: Große Mehrheit fordert stärkeres Handeln gegen rassistische Diskriminierung

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Lehrerinnen und Lehrer einer Schule im brandenburgischen Landkreis Spree-Neiße legten eine echte Punktlandung hin. So, als hätten sie gewusst, dass »ihr« Thema am Dienstag auch die Bundespolitik beschäftigt, platzierten sie zeitgleich ihren Offenen Brief, in dem sie rassistische und rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule beklagen. Täglich würden Schüler mit Migrationshintergrund mit rassistischen Sprüchen beleidigt und müssten von den Lehrkräften vor psychischer und körperlicher rechter Gewalt geschützt werden.

Die Pädagogen aus Brandenburg legen den Finger in eine offene Wunde. Einer gestern veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge hat jeder Dritte mit Migrationshintergrund in Deutschland Diskriminierung erlebt. 35 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten sehr oft oder manchmal wegen ihrer Herkunft oder aus rassistischen Gründen diskriminiert worden zu sein, 28 Prozent sahen sich aufgrund von Religion oder Weltanschauung angefeindet oder herabgewürdigt. Das ist weit mehr als bei einer Befragung aus dem Jahre 2008 – freilich auch, weil die Zahl der möglichen Betroffenen in den letzten 15 Jahren erheblich angestiegen ist.

Die Studie ergab allerdings auch, dass sich eine große Mehrheit in Deutschland ein stärkeres Handeln gegen rassistische Diskriminierung wünscht. 70 Prozent der Ende 2022 mehr als 2000 Befragten gaben an, dass für die Gleichbehandlung von Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen, die als fremd oder nicht weiß wahrgenommen werden, viel oder mehr getan werden sollte. Im Vergleichsjahr 2008 hatten das nur 43 Prozent gesagt. Während vor 15 Jahren nur 31 Prozent eine starke Diskriminierung von »Menschen mit fremdländischem Aussehen« sahen, erwiesen sich in der aktuellen Studie 49 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass diese Menschen stark diskriminiert werden.

Eben dieses letztere Ergebnis ist für die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, ein gutes Zeichen. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Gesellschaft nicht nur bereit sei für Antidiskriminierung, sondern diese auch erwarte, erklärte sie in Berlin. »Antidiskriminierung ist in der Mitte angekommen«, ist sich Ataman sicher. Für die Bundesbeauftragte spalte Diskriminierung die Gesellschaft, nicht das Engagement dagegen.

Das müssen die Verfasser des Offenen Briefes aus dem Spree-Neiße-Kreis ein wenig anders sehen. Zumindest wollten sie am Dienstag einem Bericht von RBB 24 zufolge, ihre Namen nicht in der Öffentlichkeit wissen. Und auch in den Jubel über die gewachsene Sensibilisierung zum Thema können sie nicht so recht einstimmen. Sie fordern vielmehr eine »Null-Toleranz-Politik« gegen Rechtsextremismus, Homophobie und Sexismus und die Einstellung von Sozialarbeitern, um mehr demokratiefreundliche Projekte zu fördern.

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