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Australien tritt ins »Raketenzeitalter« ein

Aus Angst vor einer chinesischen Bedrohung gibt Canberra Milliarden für neue Waffensysteme aus

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.

Einen Tag vor dem sogenannten Anzac Day (25. April) hat Australien eine wegweisende neue Verteidigungsstrategie veröffentlicht: Die Streitkräfte sollen neu aufgestellt werden, das Land ins »Raketenzeitalter« eintreten. Der Termin für die Veröffentlichung ist nicht zufällig gewählt: Am Anzac Day gedenken die 26 Millionen Australier all der Soldaten, die je für das Land gedient und im Dienst unter Umständen sogar ihr Leben verloren haben.

Der Tag hat die australische Psyche geprägt wie kaum ein anderer: Der sogenannte »Anzac-Spirit«, einst im Ersten Weltkrieg geboren, wird bis heute von Jung und Alt zelebriert. Es geht dabei um »Mateship«, also den Zusammenhalt unter Kameraden, und darum, sich nie aufzugeben – etwas, das die Australier auch bei jedem Buschfeuer, bei jedem Wirbelsturm und jedem Hochwasser immer wieder eindrucksvoll zur Schau stellen.

Insofern war die Ansprache des australischen Premierministers Anthony Albanese am Montag durchaus wie ein »Aufruf« in diesem »Spirit«: Man will trotz der Aufrüstung und militärischen Übermacht Chinas nicht klein beigeben, sondern sich für den Ernstfall wappnen. Das am Montag veröffentlichte Gutachten »Defence Strategic Review«, die Grundlage für die Neuaufstellung, bezeichneten lokale Medien dann auch als eines der bedeutendsten Verteidigungsdokumente seit dem Zweiten Weltkrieg.

Australiens Schutz verschlechtert

Australien stellt seine Streitkräfte neu auf, um im Falle eines »größeren Konflikts« in der Region handeln und das eigene Land potenziell verteidigen zu können. Dieser »größere Konflikt« wäre eindeutigerweise ein chinesischer Angriff auf Taiwan – ein Szenario, das angesichts der Rhetorik des chinesischen Staatschefs Xi Jinping in den kommenden Jahren eintreten könnte.

Vor allem soll Australien mit den Neuerungen in das »Raketenzeitalter« eintreten. Letzteres begründete die »Defence Strategic Review« damit, dass das Land angesichts der modernen Kriegsführung durch seine Geografie nicht mehr ebenso geschützt sei wie noch früher. »In der heutigen strategischen Ära können wir uns nicht auf die Geografie verlassen oder auf die Warnzeit«, hieß es in dem Gutachten. Mehr Länder seien in der Lage, Kampfkraft über größere Reichweiten in allen fünf Bereichen See, Land, Luft, Weltraum und Cyber zu projizieren. Die Armee soll deswegen für den Einsatz von Raketentechnologie umgerüstet werden. Angedacht sind Raketen mit einer deutlich höheren Reichweite als bisher.

Laut Albanese soll Australien dank der neuen Verteidigungsstrategie »selbstständiger« werden. »Im Kern macht all dies Australien in den kommenden Jahren unabhängiger, besser vorbereitet und sicherer.« Das heißt, man will weniger auf die Unterstützung der USA angewiesen sein, obwohl diese natürlich weiterhin der engste strategische Partner des Landes bleiben.

Für die gesamte Neuaufstellung der australischen Streitkräfte sind 19 Milliarden Australische Dollar veranschlagt, umgerechnet rund 11,5 Milliarden Euro, wobei gleichzeitig mehrere Milliarden bei existierenden Projekten eingespart werden sollen.

Das Gutachten geht auch ausdrücklich auf die Bedrohung ein, die China für die Region darstellt. »Chinas militärischer Aufbau ist inzwischen der größte und ehrgeizigste aller Länder seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs«, hieß es. Und weiter: »Dieser Aufbau erfolgt ohne Transparenz oder Beruhigung der strategischen Absicht Chinas gegenüber der indopazifischen Region.«

Pekings Flotte wächst rasant

Peking hat seine Streitkräfte mit Tarnkappenjägern, Hyperschallraketen und zwei Flugzeugträgern modernisiert, ein dritter ist im Bau. China hat mindestens drei Inseln, die es im umstrittenen Südchinesischen Meer gebaut hat, vollständig militarisiert. Satellitenaufnahmen zeigen zudem riesige Felder mit neuen ballistischen Raketen, die mit einem Atomsprengkopf ausgestattet werden könnten. Laut dem Pentagon-Bericht »China Military Power« vom November 2022 ist Chinas Marine inzwischen die größte der Welt und verfügt über rund 340 Kriegsschiffe und U-Boote, von denen zwölf U-Boote mit Atomantrieb ausgestattet sind. Die Flotte soll in den kommenden zwei Jahren auf 400 Schiffe anwachsen.

Auch bisher hat Australien nicht tatenlos zugesehen: Seit das Land 2021 das Aukus-Sicherheitsabkommen mit Großbritannien und den USA geschlossen hat, folgte bereits ein Rüstungsdeal auf den anderen. So wird Australien erstmals in den illustren Kreis der Nationen aufgenommen, die Atom-U-Boote erhalten. Außerdem war bereits angekündigt worden, dass Canberra in Tomahawk-Raketen und Himars-Raketenwerfer investiert sowie bei der Entwicklung von Hyperschallraketen voranpreschen will.

Canberra blickt mit Sorge nach Norden

Die Neudefinition der australischen Armee passt zu diesen Investitionen wie auch der Plan, den Schwerpunkt verstärkt auf den Norden des Landes sowie auf die Ozeane zu legen. Ein geplantes Projekt für Infanteriefahrzeuge soll dagegen beispielsweise deutlich reduziert werden.

China dürfte die neue australische Strategie vermutlich kritisch sehen: Bereits nach Veröffentlichung des U-Boot-Deals im Rahmen des Aukus-Pakts hieß es vonseiten der Volksrepublik, dass dies ein Wettrüsten schüre sowie den Frieden und die Stabilität in der Region verletze.

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