Kita-Beitragsfreiheit auf Raten

Nächstes Jahr sollen alle Elternbeiträge entfallen, aber nur für die Kindergärten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir wollen jetzt sofort für immer und ewig die Beitragsfreiheit für die Kitas von Anfang an«, sagt Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter. Doch bis die alte Forderung der Eltern, die von seiner Partei unterstützt wird, endlich erfüllt ist, wird weitere Zeit vergehen. Die SPD hat die komplette Aufhebung der Elternbeiträge zwar schon jahrelang versprochen, dann jedoch verschoben – und auch am Dienstag verkündete die Koalition aus SPD, CDU und Grünen nicht die ersehnte sofortige Abschaffung, sondern nur einen Zeitplan für ein schrittweises Vorgehen.

Das Kabinett billigte zwei Novellen des Kitarechts, konkret das »Dritte Gesetz zur Verbesserung der Qualität und der Teilhabe in der Kinder- und Jugendhilfe« und das »Gesetz zur Stärkung der Kindertagespflege«. Diese Gesetze müssen dann noch vom Landtag beraten und beschlossen werden.

Relativ bald, schon am 1. August 2023, soll demnach in Brandenburg das vorletzte Kitajahr vor der Einschulung beitragsfrei werden. Ein Jahr später, am 1. August 2024, sollen die Beiträge für alle Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr entfallen. Zumindest die Kindergärten wären damit beitragsfrei – nicht aber die Kinderkrippen für die ganz Kleinen und auch nicht die Schulhorte. Für das letzte Kitajahr vor der Einschulung müssen die Eltern in Brandenburg schon seit 2018 nichts mehr bezahlen. Wobei das Wörtchen »schon« hier eigentlich fehl am Platz ist. Denn das Nachbarland Berlin hatte 2018 bereits die komplette Beitragsfreiheit erreicht.

Für die Krippen, die von den unter dreijährigen Kindern besucht werden, will Brandenburg den Personalschlüssel verbessern: Ab dem 1. August 2024 sollen auf eine Erzieherin statistisch nur noch 4,25 Kinder kommen und ab 1. August 2025 auf 4,0 Kinder. Bisher liegt der Personalschlüssel für die Krippen bei 1 zu 4,65. Den Erzieherinnen und Erziehern winken damit »bessere Arbeitsbedingungen«, wie Jugendstaatssekretär Steffen Freiberg verspricht. Allerdings weiß er auch selbst ganz genau, dass es nicht leicht sein wird, die entstehenden rund 1050 zusätzlichen Stellen in den Krippen des Bundeslandes zu besetzen. Für kommunale Einrichtungen wie auch für freie Träger greift deshalb eine Ausnahmeregelung, wenn sie niemanden finden, der den Job machen will und kann. Damit solle verhindert werden, dass Krippen schließen müssen, weil sie den gesetzlich vorgegebenen Personalschlüssel nicht erfüllen.

Brandenburg habe die Ausbildungskapazitäten extra erhöht und jetzt 3750 Ausbildungsplätze für Erzieherinnen und Erzieher, sagt Freiberg. »Rein rechnerisch würde es theoretisch aufgehen«, formuliert er mit aller Vorsicht. Aber es ist die Frage, ob alle angehenden Erzieher dann auch in Brandenburg zu arbeiten anfangen oder sich anderswo einen Job suchen. Das ist dem Staatssekretär bewusst.

Bei der Kita-Versorgung helfen könnte eine Veränderung bei der Kindertagespflege. Bis zu drei Tagesmütter oder auch Tagesväter sollen sich künftig zusammentun und dann gemeinsam bis zu 15 Kinder betreuen dürfen. Das hätte den Vorteil, dass sie sich im Urlaub oder bei Krankheit gegenseitig vertreten können. »Großtagespflege« lautet das Stichwort. Das ist etwas ganz anderes, als wenn beispielsweise eine junge Mutter nicht nur auf das eigene Kind aufpasst, sondern nebenbei noch professionell auf ein oder zwei Nachbarsjungen und -mädchen. Auch Betriebe oder Gemeinden sollen künftig eine Großtagespflege aufziehen dürfen. Staatssekretär Freiberg versichert, das Land werde bei dieser Reform auf Qualität achten. Die von den Tagesmüttern selbst zu bezahlende Schulung soll auf 300 Stunden ausgedehnt und damit an den Bundesmaßstab angepasst werden. Bisher genügte in Brandenburg ein Kurs von 160 Stunden, um sich zur Tagesmutter zu qualifizieren. Die Kosten für die verschiedenen Maßnahmen belaufen sich auf 130 Millionen Euro. Damit würden die Ausgaben des Landes für die Kinderbetreuung auf rund 745 Millionen Euro im Jahr 2024 steigen. »Das ist viel Geld, aber unsere beste Zukunftsinvestition«, meint Freiberg.

Die Landtagsabgeordnete Kristy Augustin (CDU) bezeichnet die Einführung der Großtagespflege als »Meilenstein« und setzt große Hoffnungen darauf.

»Man erkennt die Absicht und ist verstimmt«, reagiert dagegen die Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg (Linke) auf die Ankündigungen. Der als Nachfolger der zurückgetretenen Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) vorgesehene Staatssekretär Freiberg wolle »offenbar die Wogen glätten und bindet alten Botschaften einfach ein neues Schleifchen um«. Viel zu spät komme die im Koalitionsvertrag von 2019 versprochene Beitragsfreiheit in der Kita und viel zu kurz greife die vorgesehene Entlastung von Familien. »Konsequent wäre, die komplette Beitragsfreiheit von der Krippe bis zum Hort jetzt umzusetzen«, meint Dannenberg. »Das wäre tatsächlich mal eine neue und frohe Botschaft!« Dass die Situation sich weiter zuspitzt, werde man am Kita-Kollapps-Aktionstag am 15. Mai in Potsdam und anderswo sehen.

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