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Synodaler Weg: Mea culpa, mea maxima culpa?

David Ranan über Kirche, Schuld und Synodalen Weg

Vergangene Woche stellte nun auch das Erzbistum Freiburg seinen Bericht über Missbrauchsfälle vor, im Laufe von vier Jahren von einer unabhängigen Arbeitsgruppe erstellt. Als ein Verantwortlicher für das große Verschweigen und Vertuschen wird der mittlerweile zurückgetretene Erzbischof Robert Zollitsch genannt, was von besonderer Brisanz ist, da er 2008 bis 2014 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war. Erst im Oktober vergangenen Jahres hat Zollitsch in einer Videobotschafteingeräumt: »Ich habe mit meinem damaligen Verhalten und Handeln, Dokumentieren und Entscheiden gravierende Fehler gemacht und die Gefahren – auch von erneutem Missbrauch – verkannt. Das bereue ich von ganzem Herzen. Es tut mir aufrichtig leid.« Mindestens 600 Kinder und Jugendliche waren in seinem Erzbistum betroffen, die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. Der Bericht vermerkt, dass Akten gezielt vernichtet worden sind. 

Die schiere Flut von Missbrauchsfällen und die oft kriminellen Verschleierungstaktiken haben zu einer großen Desillusionierung, Empörung und Entsetzen bei Gläubigen weltweit und zu einer bis dato unerreichten Zahl von Kirchenaustritten geführt. »Auch in Deutschland verlassen Katholiken ihre Kirche in Scharen, und viele von denen, die nicht austreten, drängen auf Veränderung«, konstatiert David Ranan. Der Kultur- und Politikwissenschaftler hat ein höchst informatives, aktuell brisantes Buch verfasst, in dem er über die Missbrauchsfälle hinaus Sünden der katholischen Kirche über die zwei Jahrtausende exemplarisch aufzeigt und auf dringend notwendige Reformierung verweist. »Es geht um weit mehr, um die Öffnung der kirchlichen Hierarchien für Frauen, die Abschaffung des Zölibats für Priester, die Anerkennung und Billigung homosexueller Verbindungen, ehelicher und partnerschaftlichen«, schreibt er eingangs.

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Über Jahrhunderte war es die katholische Kirche gewohnt, nach Gutdünken zu schalten und zu walten, ihren Schäfchen vorzuschreiben, was sie zu denken und wie sie zu leben haben. »Das funktionierte besonders gut in unaufgeklärten Gesellschaften.« Angesichts der Anforderungen der Moderne betreibe sie nun eine Art Vogel-Strauß-Politik, hoffend, dass ihre Mitglieder wie gehabt folgen und ihre Autorität auch weiter achten würden. »Das funktioniert nicht.« 

Es war unlängst zu erleben: Die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Dresden blieb mit ihren Erklärungen und Beschlüssen hinter den Erwartungen der Gläubigen zurück. Ranan fragt: Ist es realistisch, einen Wandel zu erwarten? Denn er weiß: »Die wahrscheinlich älteste noch bestehende Institution der Welt hat ihre Langlebigkeit nicht durch Zaghaftigkeit erreicht. Sie ist stets mehr unnachgiebig als flexibel gewesen.« 

Dabei gab und gibt es gerade auch in Deutschland Geistliche, die Änderungsbedarf sehen. Kardinal Reinhard Marx hatte in seinem Brief vom Mai 2021 an Papst Franziskus, in dem er um seinen Rücktritt bat, nicht nur »viel persönliches Versagen und administrative Fehler« beklagt, sondern »eben auch institutionelles oder ›systemisches‹ Versagen«. In seiner, das Gesuch des Erzbischofs von München und Freising ablehnenden Antwort beließ es der Pontifex beim Eingeständnis individuellen Fehlverhaltens von Priestern, dass es sich um strukturelle Übel handelte, sprach er nicht an. Nun, man weiß oder ahnt zumindesst, dass auch der oberste Stellvertreter Gottes nicht sein eigener Herr ist – womit hier nicht der »Allmächtige« gemeint ist. Ranan urteilt vorsichtiger: Der Papst Franziskus habe eine Grenze gezogen, indem er betont, dass Jesus sich niemals auf eine »Reformation« eingelassen« hätte. Des Autors Schluss: »Das Kind soll nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden.«

Im ersten Kapitel widmet sich Ranan dem Prozess der Inquisition gegen den italienischen Universalgelehrten Galileo Galilei, um den Wahrheits- und alleinigen Autoritätsanspruch der Kirche zu verdeutlichen, vor allem nach innen. »Die Sprache der Disziplin mag sich seit dem 1. Jahrhundert geändert haben, aber der Eifer der heutigen Kongregation für die Glaubenslehre ist noch genauso stark. Auch im 21. Jahrhundert werden Theologen getadelt, wenn sie es wagen, den von ihr genehmigten Weg geringfügig zu verlassen.« Der polnische Papst, Joannes Paul II., habe die Galileo-Affäre noch als »Mythos« abgetan, dennoch kam der Vatikan nicht umhin, sich mit dem Tribunal 500 Jahre zuvor zu beschäftigen. 1981 wurde eine Galileo-Kommission eingesetzt, die sieben Mal innerhalb von sieben Jahren tagte, so Ranan, aber ein »Mea culpa« folgte nicht. In diesem Kapitel vermisst man einen Verweis auf Giordano Bruno, der im Gegensatz zu Galileo seinen Einsichten und Erkenntnissen nicht abschwor und qualvoll auf dem Scheiterhaufen starb. Erwähnt wird aber sehr wohl Kopernikus, der Vordenker, der prophylaktisch seine revolutionierende Schrift »De revolutionibus orbium coelestium« erst zu seinem Lebensende veröffentlichen ließ. 

Dem Kapitel zum Verhältnis der Kirche zu den Wissenschaften hat der Autor noch einen Abschnitt bezüglich ihrer strikten Verweigerungshaltung gegenüber Verhütungsmitteln hinzugefügt, was sich besonders verhängnisvoll auf Bevölkerungen in weniger entwickelten Ländern auswirkt, in denen die Menschen den Klerus respektieren und ihn als Quelle von Bildung und Wissen betrachten. »Wie der Umgang mit Kondomen zeigte, ist die Kirche weiterhin unfähig, mit Fällen umzugehen, in denen die Wissenschaft dem Glauben widerspricht. Diese Unfähigkeeit ist auf ihre Einordnung der Heiligen Schrift zurückzuführen«, erläutert Ranan. »Für die Kirche ist die Bibel nicht eine Zusammenstellung von Texten, die von verschiedenen Menschen zu verschiedenen Zeiten geschrieben wurden und die Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Zeit widerspiegeln. Sie stellt eine ›Offenbarte Wahrheit‹ dar, die die Handschrift Gottes trägt. Die Folge ist eine (beinahe) totale Reformunfähigkeit.«

Im zweiten Kapitel befassst sich der Autor mit dem Antijudaismus der Kirche von ihren Anfängen an bis hin zu ihrer Tolerierung und Unterstützung mordlüsterner deutscher Antisemiten sowie unterlassenen Hilfeleistungen in der NS-Zeit. Ranan erinnert an das in den Evangelien zu findende fatale Narrativ der Ermordung Jesu durch jüdische Hand, zitiert den Heiligen Johannes Chrysostomus aus dem 4. Jahrhundert, Bischof von Antiochien und Erzbischof von Konstantinopel, der in seinen »Acht Homilien gegen die Juden« jene mit brutalen, wilden Tieren verglich. Die Ritualmord-Legende wird vom Autor erwähnt, ebenso die Sündenbockstrategie, mit der Juden für Pest und andere Seuchen im Mittelalter und Frühen Neuzeit verantwortlich gemacht wurden. »Kirchensynoden, Konzile und Päpste erfanden regelmäßig neue antijüdische Maßnahmen und Gesetze.«

Nach dem millionenfachen Judenmord der Nazis behauptete im August 1945 der Kölner Erzbischof Frings, der Kirche und den Bischöfen stünde es nicht zu, den Staat zu korrigieren, wenn dieser »Fehler« begehe. Und zwei Jahre später, bei einem Treffen katholischer Bischöfe mit der US-Militärregierung, fragte er scheinheilig: »Wer hat das Recht zu verlangen, dass die Bischöfe eine Form des Kampfes wählen sollten, die sie mit unfehlbarer Sicherheit an den Galgen gebracht hätte?« Mit der Erklärung »Nostra aetate« (In unserer Zeit) wich das Zweite Vatikanische Konzil 1965 immer noch einem konkreten Bekenntnis zur Mitschuld am Holocaust aus, versicherte lediglich, dass die Kirche »alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft«, ohne zu erwähnen, dass sie lange Zeit Anstifterin und Koordinatorin war, wie Ranan anmerkt. Erst 1998 raffte sich der Vatikan zu einem offiziellem Eingeständnis auf unter dem Titel »Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah«.

Verglichen mit den fragwürdigen Haltung der Kirche zu den Wissenschaften und dem tradierten Antijudaismus haben die Enthüllungen über sexuellen Missbrauch die größten Wogen der Empörung ausgelöst. Die Kirche droht erstmals in ihren Grundfesten erschüttert zu werden. Es begann in den 80er Jahren in den USA. In der Diözese Boston wurde ein Prozess angestrebt, mit Erfolg. Es folgten weitere Verfahren, über die der Autor berichtet. Über die Täter vermerkt er: »Sie suchten sich vor allem Jungen aus der Arbeiterklassse und aus zerrütteten Familien aus und inszenierten sich als Vaterfiguren.« 

Interessant hier der Satz: »Gott allein weiß, wie hoch die Dunkelziffer des Missbrauchs ist.» Ranan spricht von systemischen Versagen: „Ein ganzes System hat am Missbrauch teilgenommen. So schockierend die einzelnen Taten auch waren, der wahre Skandal wird erst deutlich, wenn wir das kriminelle Vertuschen, Verschweigen und die Verzögerungstaktik bei der Aufklärung durch Vertreter der Katholischen Kirche betrachten.«

2003 wurde ein geheimes vatikanische Dokument unter dem Titel „Crimen sollicitationis“ von 1963, streng geheim, Anweisungen, wie umzugehen mit Missbrauch von Juendlichen beiderlei Geschlechts wie auch Tieren, daraidn eine Schweigepflicht gegenüber dder Öffentlichkeit, wenn verletzt, mit Exkommunikation geahndet, eine „Anleitung zum Täuschen und zum Schutz von Pädophilen“, wie einer der Anwälte von Missbrauchsopfer meinte

Entschuldigungen von Päpsten oder der Kirchee siind eiin recht neues  Phänomen. IN einer E-Mail – in der Tat seiner allereersten – die Jpohannes paul II im November 2001 verschickte, übermittelte sein Apostolisches Schreiben Ecclesia in Oceania: „In bestimmten Teilen Ozeaniens hat der sexuelle Missbrauch durch einige Geistliche… den Opfern großes Leid und geistigen Schaden zugefügt.“  Dabei hätte manb sich auch in eigener, näherer Umgebung umschauen käönnen und sollen. Der Rücktrtit von Benedikt XVI. miz ziemlicher Sicherheit im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in Deutschland und sogar eigener Beteiligung an Vertuschungsversuchen.

Aber auch Papst Franziskus blieb lange Erwarrtungen hinerher, erst 2018ein Schreiben »an das Volk Gottes«, in dem der Satz: »Wir bitten um Vergebung für die eigenen und für die Sünden anderer,« »Und wie soll es weitergeheen?« fragtrhetorische Frage am Ende. Antwort: »Die institutionelle Schuld muss von der Kirche verstanden und anerkannt erden, und fü diese institutionelle Schuld muss die Kirche ihr Mea culpa, mea maxima culpa äußern.«.

David Ranan: Kirche, Schuld und Synodaler Weg. Was Galileo, die Judenverfolgung und den Missbrauchsskandal verbindet. J.H.W. Dietz, 127 S., br., 14 €.

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