• Berlin
  • Projekt »Spurwechsel«

Asyl in Brandenburg: Weniger Geflüchtete gekommen als erwartet

Staatssekretär des Sozialministeriums sagt zu den Unterbringungskapazitäten: »Wir haben weiter Freimeldungen«

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

In zunehmend gereizter Stimmung wurde am Mittwoch im Sozialausschuss des Landtages die Unterbringung und Integration geflüchteter Menschen in Brandenburg behandelt. Eingangs schilderte Staatssekretär Michael Ranft, dass in den ersten Monaten des Jahres deutlich weniger Menschen ankamen als ursprünglich erwartet. Im Januar wurden demnach in der Erstaufnahme des Landes 946 Zugänge registriert, im Februar 620, im März 934 und im April bislang 1008. Von einer Zunahme in der wärmeren Jahreszeit sei allerdings auszugehen.

Gleichzeitig sind insgesamt rund 3500 Personen an die Kommunen verteilt worden. Im Hinblick auf Alarm-Meldungen der vergangenen Wochen sagte Ranft, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Kapazitäten erschöpft seien. »Wir haben weiter Freimeldungen.« Bislang wurde für das laufende Jahr mit 26 000 ankommenden Flüchtlingen gerechnet. In einem Schreiben an Landräte und Oberbürgermeister habe er deutlich gemacht, dass es der Landesregierung um eine rasche Erhöhung der Aufnahmekapazität in den Kommunen, aber auch um mehr Integration gehe, führte der Staatssekretär aus.

Ein Projekt »Spurwechsel« soll eine Chance für abgelehnte Asylbewerber eröffnen, deren Abschiebung aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist – zum Beispiel, weil sich ihre Heimatländer weigern, sie wieder zurückzunehmen. Auch ihnen kann innerhalb des Projekts eine Bleibeperspektive eröffnet werden, wenn es Gründe gibt anzunehmen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Ranft setzte hinzu, dass ein kurzfristiger Entlastungseffekt für die Kommunen dadurch nicht zu erwarten sei. »Das wird in der Öffentlichkeit oft anders dargestellt.« Aber mittelfristig müssten Geflüchtete mit eigenem Einkommen dann nicht mehr in den Asylheimen leben. »Wir werden Rechenschaft darüber ablegen, ob wir Erfolg gehabt haben oder nicht«, versicherte Ranft. »Das Projekt kann auch scheitern.« Der Staatssekretär sprach davon, dass er mit mehreren kreisfreien Städten beziehungsweise Landkreisen über Standorte für das Projekt in Verhandlungen stehe, nannte aber mit dem Verweis auf die vereinbarte Vertraulichkeit keine Namen.

Außerdem erwähnte Ranft, wo das Land die Kommunen bei der Integration weiter entlasten wolle: Angesichts gewachsener Energiekosten werden 50 Euro je Person zusätzlich als Pauschale überwiesen. Das Land biete ferner eine Investitionspauschale in Höhe von zusätzlich 7000 Euro je Platz in neugeschaffenen Unterkünften. Es stellt die Finanzierung weiterer 62 Stellen für Integrationsarbeiter in Aussicht, die sich mit ukrainischen Flüchtlingen befassen, und es kommt für die Mehrkosten auf, die durch Tariferhöhungen im Wachschutz entstehen. Um all dies leichter handhabbar zu machen, »wird es Abschlagszahlungen geben«.

Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) zeigte sich erleichtert und lobte die Landesregierung, dass diese offenbar den Plan von Innenminister Michael Stübgen (CDU) fallengelassen habe, Menschen mit »schlechter Aufenthaltsperspektive« nach der gesetzlich vorgeschriebenen Frist nicht auf die Kommunen zu verteilen, sondern in Sonder-Einrichtungen zusammenzufassen. Es sei gut, wenn der Bau neuer Unterkünfte in den Kommunen jetzt zügig erfolge, denn die Regierung habe da »ein Jahr gepennt« und sich auf eine »Ankündigungspolitik« beschränkt. Johlige warnte: »Wir sollten uns nicht in die Tasche lügen, noch ist kein Cent geflossen.«

AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt protestierte dagegen, dass ausreisepflichtige Menschen nun mit einer Bleibeperspektive belohnt werden sollen. Das sei »skandalös«, denn sie hätten zumeist ihre Herkunft verschleiert und ihre Pässe weggeschmissen.

SPD-Fraktionschef Daniel Keller stellte sich hinter die Anstrengungen zur Erweiterung der Unterkunftskapazitäten und der Integration. Er befürwortete, Menschen auch über die vorgeschriebene Frist hinaus »pragmatisch« in der Erstaufnahme zu belassen, wenn ihnen bei der Aufteilung auf die Kommunen die Übernachtung in Turnhallen drohen würde. Keller sprach sich für die konsequente Rückführung von Menschen aus, »die keine Bleibeperspektive haben«, aber auch für die nunmehr eröffnete Chance des »Spurwechsels«. Das sei in deutschem Interesse, wenn so Arbeitskräfte gewonnen werden.

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