Shopping in Berlin: Die Leere mit Erlebnis füllen

Mehr Toiletten, weniger Leerstand fordern die Besucher*innen von Einkaufsstraßen. Handelsvertreter wollen dabei nicht über zu hohe Mieten sprechen.

Die Hackeschen Höfe in Mitte: Besucher*innen wünschen sich vor allem mehr öffentliche Toiletten.
Die Hackeschen Höfe in Mitte: Besucher*innen wünschen sich vor allem mehr öffentliche Toiletten.

Kurfürstendamm, Hackesche Höfe und Schloßstraße – das sind die Orte, an denen die Lebendigkeit der Berliner Innenstadt gemessen wird. Zumindest laut der bundesweiten Studie »Vitale Innenstädte 2024«, in deren Rahmen Zehntausende Passant*innen in unterschiedlichen Innenstädten befragt wurden, in Berlin in eben diesen drei »Einzelhandelszentren«, wie es die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin ausdrückt. Diese hatte am Dienstag zur Vorstellung und Besprechung der hauptstädtischen Studienergebnisse eingeladen.

»Das Ziel muss es sein, Begeisterung auszulösen«, sagt Boris Hedde, Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung (IHF), das die Studie durchgeführt hat. Für die »Vitalisierung« der Einkaufsstraßen sei es vor allem wichtig, die Aufenthaltsqualität und den Erlebniswert zu steigern. Das seien die relevanten Faktoren für die Attraktivität aus Sicht der Besucher*innen, die nicht wie einst zur grundlegenden Versorgung einkaufen gehen. Dennoch: Der Anlass für den Besuch von Einkaufsstraßen bleibt das Einkaufen, sagt Hedde. Am Kurfürstendamm gehen laut der Studie mehrheitlich Tourst*innen einkaufen, in den Hackeschen Höfen und in der Schloßstraße wiederum sind es zu über 90 Prozent Berliner*innen.

Großer Handlungsbedarf ergebe sich aus den meistgenannten Kritikpunkten der Besucher*innen: Die Menschen in den Hackeschen Höfen und in der Schloßstraße wünschen sich vor allem mehr Toiletten und dann weniger Leerstand. Am Kurfürstendamm ist der Leerstand das meistgenannte Problem.

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»Wir brauchen kreative Konzepte gegen Leerstand«, sagt Manja Schreiner, ehemalige CDU-Verkehrssenatorin und jetzige Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin. Dafür wünscht sie sich mehr Flexibilität von der Politik, also schnellere Zwischennutzungs-Genehmigungsverfahren. Wovon sie bei all dem nichts wissen will: zu hohe Gewerbemieten. »Wir müssen die Attraktivität steigern, der Rest kommt dann nach«, antwortet sie auf eine entsprechende Frage.

»Dass bei der IHK bei dem Thema nicht über hohe Gewerbemieten geredet wird, macht das Ganze absurd«, sagt Stefan Klein zu »nd«. Er ist Geschäftsführer von Kige Kiezgewerbe, einer Beratungsorganisation für von Verdrängung bedrohte Kleingewerbe. Er hält gerade die extrem hohen Mietpreise in den Einkaufsstraßen für das ursächliche Problem für den vielen Leerstand, weil normale Gewerbetreibende diese gar nicht aus ihren Einnahmen bezahlen könnten.

Das ist besonders bitter, denn in den Kiezen Berlins, in Kreuzberg, Neukölln und Co., wird ein Kleingewerbe nach dem anderen durch Mietvertragskündigungen und -erhöhungen verdrängt. Auch soziale und kulturelle Einrichtungen sind davon betroffen, weil sie Gewerbemietverträge abschließen müssen. An anderer Stelle herrscht die gähnende Leere verlassener Gewerbeflächen, die niemand finanzieren kann.

Von dem Versuch, Besucher*innen durch den Erlebnischarakter in die Einkaufsstraßen zu locken, hält Stefan Klein nicht viel. »Das ist Quatsch. Die Leute sollen und wollen doch zum Einkaufen kommen, und nicht, um Events zu besuchen.« Die Geschäfte würden in seinen Augen auch kaum davon profitieren. »Wer geht denn auf ein Konzert und denkt sich danach: Jetzt kaufe ich mir noch einen Staubsauger?« Ohne die Gewerbemieten zu senken, könne kein attraktives Quartier entstehen. »Ein von oben geplantes Projekt, bei dem nicht darüber gesprochen wird, dass es unbedingt niedrige Mieten für Kleingewerbe braucht, ist zum Scheitern verurteilt.«

»Wer geht denn auf ein Konzert und denkt sich danach: Jetzt kaufe ich mir noch einen Staubsauger?«

Stefan Klein Kige Kiezgewerbe

Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Berliner Linksfraktion, hält ebenso wenig von den Vorstellungen der IHK. »Es gibt eine Krise der Innenstädte, das stimmt«, sagt sie zu »nd«. Die Antwort darauf könne aber nicht sein, noch mehr »Shopping-Erlebnis« und »Konsumlaune« aufbauen zu wollen. Das bräuchten die Berliner*innen im Angesicht von Finanzkrise und steigenden Preisen aktuell nicht. »Wir brauchen Orte für die Menschen und nicht fürs Geld.«

Deshalb fordere die Linke, dass Einkaufszentren zu Versorgungszentren umgenutzt werden – im Rahmen eines sozialen und feministischen Stadtumbaus. »Die Menschen haben ihre Antwort doch mit den Toiletten schon gegeben«, sagt Gennburg. Denn darin zeige sich, dass man die Stadt gemäß der Alltagstauglichkeit von Orten umbauen und die Bedürfnisse der Menschen nach vorne stellen müsse.

Neben einer Senkung der Gewerbemieten, etwa durch einen Mietendeckel, kommt für Gennburg auch eine Vergesellschaftung von Einkaufszentren in Frage. »Wem gehören die Innenstädte? Das müssen wir als grundlegende Eigentumsfrage diskutieren.«

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