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Wohnungsnot in Berlin: »Evas Obdach« in Landeshand
Dem Senat gelingt der Kauf der Räumlichkeiten der Notunterkunft, bevor diese ausziehen muss
»Die Besucherinnen haben alle mit uns um die Unterkunft gebangt. Jetzt sind erst mal alle sehr erleichtert.« Natalie Kulik, Leiterin der Notunterkunft für obdachlose Frauen »Evas Obdach«, ist die Erleichterung anzusehen. Denn fast zwei Jahre lang wusste niemand, wohin mit der Notunterkunft. Der Mietvertrag für die Räume in der Fuldastraße in Neukölln sollte am 30. Juni auslaufen. Nun endlich die Entwarnung: Evas Obdach bleibt. Und zwar an Ort und Stelle. Denn das Land hat die Räume der Notunterkunft durch die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) erworben. »Jetzt können wir in Ruhe schauen, wie es weitergeht«, sagt Kulik zu »nd«.
Erleichtert ist auch Cansel Kiziltepe (SPD). »Hier können wir sagen: Berlin hat funktioniert«, sagt die Sozialsenatorin am Montagmorgen auf einer Pressekonferenz in den Räumen der Notübernachtung. Um Evas Obdach zu erhalten, hätten mehrere Senatsverwaltungen, der Bezirk und die GSE in den vergangenen sechs Monaten »an einem Strang gezogen«, so Kiziltepe – was keine Selbstverständlichkeit sei. 1,9 Millionen Euro wurden schließlich für knapp 400 Quadratmeter ausgegeben und dabei sogar noch angrenzende Räume direkt mitgekauft. So könne man gegebenenfalls die Kapazitäten der immer ausgelasteten Unterkunft ausbauen und zukünftig mehr als die aktuell bestehenden 30 Plätze anbieten.
Der Eigentümer des Hauses in der Fuldastraße hatte dem Träger von Evas Obdach, dem Sozialdienst katholischer Frauen (SKF), im Jahr 2023 mitgeteilt, dass sie im Sommer 2025 die Räume verlassen müssen. Bevor der Ankauf durch die GSE im Herbst 2024 geprüft wurde, wurde nach anderen Möglichkeiten zum Erhalt der Notunterkunft gesucht, etwa doch den Mietvertrag von Evas Obdach zu verlängern oder alternative Räumlichkeiten zu mieten.
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»Wir haben bei der Suche selbst erlebt, wie schwierig es auf dem Berliner Immobilienmarkt ist«, so Gabriele Kuhn-Zuber aus dem Vorstand des SKF am Montag. Die fast zweijährige Suche nach neuen Räumen sei »nervenaufreibend« gewesen, vor allem als zum Schluss die Zeit sehr knapp wurde. »Jetzt sind wir sehr glücklich, dass wir kurz vor Ablauf des Mietvertrags doch hier bleiben können. Das hatten wir nicht mehr zu hoffen gewagt«, sagt Kuhn-Zuber. Schließlich sei der Erhalt der größten von vier Berliner Notübernachtungen für Frauen für das gesamte Hilfesystem in der Stadt wichtig. »Der Wegfall der Plätze wäre nicht kompensierbar gewesen.«
Nun ist für die Unterkunft und das Land Berlin die beste Lösung gefunden worden: Die Räumlichkeiten sind in Landeshand, werden also langfristig für soziale Zwecke erhalten bleiben und sind nicht mehr dem Risiko des freien Immobilienmarktes ausgesetzt. Davon habe das Land auch wirtschaftliche Vorteile, sagt Philipp Strohm, Geschäftsführer der GSE. Denn der Senat finanziert die Notunterkunft mit und spart sich in Zukunft die Miete, zumindest zum allergrößten Teil. Die GSE verlange monatlich nur so viel Geld, wie für den Betrieb und die Instandhaltung des Objekts anfalle. »Das ist natürlich viel weniger, als vorher.«
»Der Wegfall der Plätze wäre nicht kompensierbar gewesen.«
Gabriele Kuhn-Zuber
Sozialdienst katholischer Frauen
Die GSE hat die Aufgabe, als Treuhänderin des Landes Objekte zu sichern, zu entwickeln und zu bewirtschaften, die für soziale Zwecke und besondere Bedarfsgruppen gebraucht werden, sagt Strohm – also etwa Einrichtungen des Berliner Hilfesystems wie Wohnungslosenunterkünfte, aber auch Einrichtungen aus der Jugend- und Familienhilfe. 45 Objekte seien Teil des von der Gesellschaft verwalteten Treuhandvermögens des Landes, man arbeite bereits an weiteren Projekten. Konkrete Pläne kann Strohm noch nicht verraten. »Wenn der Druck so hoch ist wie hier, dann ist es immer möglich, direkt aktiv zu werden – wenn die Mittel zur Verfügung stehen.«
»Die GSE ist an der Stelle eine wichtige Einrichtung, die gestärkt werden muss«, sagt Sozialsenatorin Kiziltepe. Denn auch die Senatssozialverwaltung verfolge den Anstieg an Obdachlosigkeit bundesweit und in Berlin mit Sorge. »Wir wollen unsere Bemühungen in dem Bereich verstärken«, sagt Kiziltepe. Gerade für Frauen brauche es ausreichend Notübernachtungsmöglichkeiten sowie weitere Hilfen, um die Wohnungslosigkeit zu beenden.
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