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Verkehrswendecamp in Wolfsburg: VW wie Verkehrswende
Hunderte bei Protestcamp für eine andere Mobilität in der Autostadt Wolfsburg erwartet
Sie wollen diskutieren und aufzeigen, wie eine ökologische und soziale Verkehrswende machbar ist: Aktivistinnen und Aktivisten aus Verkehrs- und Umweltgruppen sowie Gewerkschaften laden zu einem Verkehrswendecamp nach Wolfsburg ein. Von diesem Freitag bis zum Mittwoch nächster Woche sind in der Autostadt im Osten Niedersachsens, die den Konzernsitz von Volkswagen beheimatet, Dutzende Aktionen, Konzerte und Veranstaltungen geplant. Unmittelbarer Anlass für die Wahl von Ort und Zeitpunkt ist die Aktionärsversammlung von VW am 10. Mai.
»Mitten in der Innenstadt schaffen wir gemeinsam einen Ort für alle Ideen für eine grundlegende sozial-ökologische Verkehrswende«, heißt es im Aufruf zum Camp. »Von dort können wir unseren Protest gegen die Dominanz des Autos auf die Straße tragen. Am Stammsitz von VW machen wir zusammen die Autostadt zur Verkehrswendestadt.«
Das Camp soll auch dazu dienen, verschiedene Gruppen miteinander zu vernetzen. Eingeladen – zum Teil auch als Referent*innen – sind auch VW-Beschäftigte, Gewerkschafter*innen und Wissenschaftler*innen. Die Organisatoren rechnen mit mehreren Hundert Menschen, die am Camp teilnehmen.
Zum Auftakt gibt es am Freitag eine »Critical Mass«-Demo durch Wolfsburg – »eine ideale Gelegenheit zu Beginn des Camps, die Stadt gefahrlos kennenzulernen«, steht im Programm. »Critical Mass« ist eine Aktionsform, bei der die Teilnehmenden mit gemeinsamen (Rad-)Fahrten durch Innenstädte und ihrer bloßen Menge auf die Vorzüge des Radverkehrs aufmerksam machen wollen.
Am Sonnabend starten Workshops und Vorträge. So wird etwa die Initiative »Sand im Getriebe« diskutieren, wie und warum sie auch in diesem September die in München geplante Internationale Automobilausstellung (IAA) blockieren will: »Warum repräsentiert besonders die IAA den fossilen Autokapitalismus? Welche Aktionsformen des zivilen Ungehorsams gegen das Auto haben sich bewährt und wie kann unser Protest kreativ und effizient sein?«
Eher theoretisch mit dem Thema befasst sich der Vortrag »Nichts ist unmöglich. Für ein Ende des Automobilen Autokapitalismus«. Laut Ankündigung zeigt sich die »ungebändigte Zerstörungswut des Kapitalismus« besonders in dieser Branche. Mehr als ein Fünftel der CO2-Emissionen entfielen auf den Straßenverkehr, Tendenz steigend. »Die Autoindustrie ist eine Klimakillerin – und ein Riesengeschäft«, so die Kritiker*innen.
Ein weiterer Workshop beschäftigt sich mit der Frage: »Wie starte ich in meiner Stadt ein Freies Lastenrad-Projekt?« In mehr als 150 deutschen Städten gebe es inzwischen Initiativen, die Lastenräder als Gemeingut zum kostenfreien Ausleihen anbieten – »nach diesem Workshop hoffentlich bald auch in deiner Stadt«.
Für einen ökologischen, demokratischen, feministischen »System Change« seien andere Verkehrsverhältnisse nötig, meint die langjährige Bundestagsabgeordnete der Linken, Sabine Leidig. Im Fokus ihres Vortrags soll die Deutsche Bahn stehen. Das größte öffentliche Unternehmen in diesem Land sei ein Paradebeispiel für ungenutzte Möglichkeiten einer Verkehrswende. Derzeit arbeitet Leidig zum Themenfeld Verkehr im Institut Solidarische Moderne, sie hat dabei auch die Kampagne »9-Euro-Ticket weiterfahren« koordiniert.
Der Vollzeit-Aktivist Jörg Bergstedt gibt Tipps für Spaziergänge und Radfahrten zu verkehrspolitischen und anderen ökologischen Brennpunkten. Er hat langjährige Erfahrungen mit den Anti-Atomkraft-Kämpfen sowie Feldbesetzungen; er war in der Startphase der Aktionen im Hambacher und im Dannenröder Wald dabei und musste mehrfach ins Gefängnis. Seit Jahren trainiert er Gruppen in Aktionsmethoden, Umgang mit Polizei und kreativen Möglichkeiten vor Gericht.
Franziska Heinisch und Verena Riedmiller wollen unter dem Titel »Gemeinsame Sache machen« Grundlagen des sogenannten Organizings vermitteln. Gesellschaftliche Veränderung sei eine Frage der Kräfteverhältnisse, meinen sie. »Wenn wir als Klimagerechtigkeitsbewegung der Autoindustrie etwas entgegensetzen und gerechte Mobilität für alle erkämpfen wollen, müssen wir über wirkmächtige Allianzen Macht aufbauen.« Es sei deshalb an der Zeit, dass Klimaaktivist*innen und Beschäftigte in der Autoindustrie gemeinsame Sache machten und für einen Umbau der Autoindustrie kämpften. Mit dem Handwerkszeug des Organizings könne es gelingen, diese Allianzen zu formen.
»Keinen Liter Wasser mehr für Tesla« fordern wiederum Leute aus der brandenburgischen Bürgerinitiative Grünheide in ihrem Vortrag. Das E-Auto-Werk gefährde die Wasserversorgung von Brandenburg und Berlin; Tesla wolle das Werk dieses Jahr sogar noch erweitern und dafür Wald zerstören. Der linke Bahngewerkschafter Lars Hirsekorn stellt seine Sicht auf die Verkehrswende, die Eisenbahn in Deutschland und Potenziale für den Kampf um eine andere Mobilität zur Diskussion. Ein weiteres Referat dreht sich laut Ankündigung um uigurische Zwangsarbeit in China am Beispiel von VW.
Wolfsburger Aktivist*innen kämpfen im Übrigen schon länger für eine andere Verkehrspolitik und den Umbau von VW – weg von der industriellen Autoproduktion. Damit das Kürzel künftig für Verkehrswende-Betrieb steht.
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