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- Kommunalwahlen in Großbritannien
Sunak feiert in getrübter Stimmung
Großbritanniens Premierminister wird bei den Kommunalwahlen vor der Krönung abgestraft
Keir Starmer hatte schon vor der feierlichen Krönung des britischen Königs Charles III. in der Londoner Westminster Abbey Grund zum Feiern. »Kein Zweifel: Wir steuern in den nächsten Wahlen auf eine Labour-Mehrheit hin«, sagte der Oppositionschef vor begeisterten Anhängern in Medway, im Südosten Englands. Das ist zwar stark übertrieben – bis zu den nächsten Unterhauswahlen wird es noch eine Weile dauern, zudem lassen sich die Resultate der Lokalwahlen nicht unbedingt verallgemeinern. Aber trotzdem: Die Labour-Partei hat in den englischen Kommunalwahlen sehr gut abgeschnitten – und die Tories mussten eine schmerzhafte Ohrfeige einstecken.
Am Donnerstag wurden die Gemeinderäte in 230 englischen Kommunen neu bestellt, insgesamt standen mehr als 8000 Sitze zur Wahl; die vergangenen Wahlen in diesen Kommunen fanden 2019 statt. Am Wochenende stand fest: Die Tories verloren mehr als 1000 Sitze in den Gemeinderäten. Damit ist erstmals seit 2002 die Oppositionspartei Labour mit einem Plus von bislang 500 Sitzen auf Lokalebene die stärkste Kraft im Land.
Manche verglichen den Wahlausgang bereits mit den Kommunalwahlen von 1996, die dem überwältigenden Sieg von Labour unter Ex-Premier Tony Blair bei der Parlamentswahl ein Jahr später vorausgingen. Die Abstimmung galt als erster Stimmungstest für Sunak – und auch diesmal folgt in gut einem Jahr eine Parlamentswahl.
Labour eroberte zum Beispiel in Städten wie Medway, Plymouth und Stoke-on-Trent – alles Brexit-Wahlkreise – eine absolute Mehrheit in den Gemeinderäten, die Liberaldemokraten nahmen den Tories südenglische Städte wie Maidenhead oder Windsor ab.
Damit bestätigen sich die Befürchtungen, die viele Tories in den vergangenen Monaten geäußert hatten: In den Brexit-Landesteilen verliert die Regierungspartei zunehmend Wähler an Labour, während in den traditionellen Tory-Hochburgen im englischen Süden die Liberaldemokraten auf dem Vormarsch sind. Ed Davey, der Chef der Liberaldemokraten, sprach von einem »bahnbrechenden Resultat«. Die dritte Partei gewann unter anderem in Orten, die seit Jahrzehnten toryblau sind und prominente konservative Abgeordnete ins Unterhaus gesandt haben – Maidenhead beispielsweise ist der Wahlkreis von Ex-Premierministerin Theresa May.
Manche Tories machen sich keine Illusionen und geben offen zu, dass es eine herbe Niederlage ist. »Wir zahlen den Preis für Boris Johnson und Liz Truss«, sagte der ehemalige Brexit-Minister David Davis. Da mag etwas Wahres dran sein, aber der Unmut gegen die Tories lässt sich nicht nur an Personalien wie den beiden Ex-Premiers festmachen: Wahlstrategen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die rechtspopulistische Stoßrichtung der Regierung – unter anderem etwa die aggressive Rhetorik gegen Migranten – manche gemäßigten Tory-Wähler vor den Kopf stößt.
Parteiinterne Kritiker werfen dem 42-Jährigen vor, ihm fehle die Wahlkampfstärke seines Vorvorgängers Johnson. Zwar tritt Sunak betont locker und smart auf. In Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern aber kommt der wohlhabende Ex-Investmentbanker bei weitem nicht so natürlich rüber wie der hemdsärmelige Populist Johnson.
In einer ersten Reaktion zeigte sich der Premier betont optimistisch und sprach von guten Ergebnissen in einigen umkämpften Bezirken. Doch Beobachter sahen das anders: »Die heutigen Lokalwahlen sind eine Katastrophe für die Konservativen«, betonte etwa das Portal »Byline Times«. Rund um die Krönungsfeierlichkeiten für König Charles III. ließ sich Rishi Sunak von der Schlappe bei den Kommunalwahlen nicht beirren. Er richtete im Regierungssitz in der Downing Street ein Essen aus, an dem auch ukrainische Familien teilnahmen. Bis zu den Wahlen hat er noch einige Zeit, das Ruder wieder herumzureißen. Der Optimismus von Labour-Chef Keir Starmer ist berechtigt, aber verfrüht.
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