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Kehrtwende im Prozess um rassistischen Brandanschlag
Vor Gericht räumt der ehemalige Neonazi Peter S. ein, einen Brand in einer Geflüchtetenunterkunft gelegt zu haben und belastet einen Szeneaussteiger
Die Sätze, mit denen der Angeklagte retten will, was noch zu retten ist, füllen gerade drei Seiten. Sein Verteidiger Guido Britz liest sie am Dienstag im Oberlandesgericht Koblenz vor. Bereits seit einem halben Jahr muss sich Peter S., ehemaliger Aktivposten der neonazistischen Skinhead-Szene im Saarland, einem sehr späten Mordprozess stellen: Am Morgen des 19. September 1991 soll der Mann, der mittlerweile 51 Jahre alt ist, Feuer in einer Geflüchtetenunterkunft in Saarlouis gelegt haben. Samuel Yeboah, ein 27 Jahre alter Mann aus Ghana, starb in den Flammen. Die weiteren Bewohner konnten sich gerade noch retten, manche nur durch waghalsige Sprünge aus den oberen Stockwerken.
Bis zu diesem 25. Verhandlungstag hat S. jegliche Beteiligung an dem rassistischen Mord und den vielfachen Mordversuchen bestritten, die ihm die Bundesanwaltschaft zur Last legt. Und nun das: S. gesteht. Aber er will es nicht allein gewesen sein. Glaubt man seiner Geschichte, dann war er sogar nicht einmal der Haupttäter, sondern bloß ein Mitläufer – und nach der Tat »völlig fertig« und »schockiert«, weil er niemanden habe töten wollen. »Es ging nur darum, Randale zu machen wie im Osten«, trägt Anwalt Britz vor, wie bei unzähligen Angriffen auf Geflüchtete, die im gerade vereinigten Deutschland an der Tagesordnung gewesen seien.
Mit zwei Kameraden hatte S. am Abend vor der Tat gesoffen, das ist unstrittig. Der eine war Peter St., damals und noch lange danach der unangefochtene Anführer der Neonazis in Saarlouis, der andere ein Mann, der schon 1994 aus der Szene ausstieg und später auch öffentlich Stellung gegen Rassismus und Antisemitismus bezog. Und ausgerechnet diesen Aussteiger erklärt der Angeklagte zur treibenden Kraft des Anschlags: Heiko S. habe ihn gedrängt, noch in derselben Nacht zuzuschlagen, habe Benzin besorgt, es im Flur des ehemaligen Gasthauses ausgeschüttet und angezündet. Er selbst, so klingt das, sei nur irgendwie dabei gewesen.
Seinem langjährigen Freund Peter St., dem er weiterhin verbunden ist, stellt der Angeklagte einen Persilschein aus. Der Neonaziführer sei strikt gegen Brandanschläge gewesen, habe lieber »Mann gegen Mann« kämpfen wollen und sei nach der Tat »richtig sauer« gewesen. »Aus Respekt und auch Angst« vor ihm hätten sie ihm nie gebeichtet, dass sie den Anschlag begangen hätten. Es tue seinem Mandanten »sehr leid«, dass er nicht früher ausgesagt habe, sagt Britz. Aber dieser habe Angst gehabt, vor der Reaktion der rechten Szene und vor allem vor »den Linken«. »Er bedauert den Vorfall zutiefst.«
Dem erstaunlichen Geständnis vorausgegangen war eine klare Ansage des Staatsschutzsenats: Bereits vor einigen Wochen hatte das Gericht erklärt, dass es den Angeklagten nach derzeitigem Verfahrensstand für schuldig halte, und ihm für den Fall eines »glaubhaften und qualifizierten Geständnisses« eine vergleichsweise milde Jugendstrafe von höchstens sechs Jahren und zehn Monaten in Aussicht gestellt. Bei dem Mordanschlag war S. noch Heranwachsender gewesen. Die geplante Verständigung scheiterte jedoch, weil die Bundesanwaltschaft auf einer höheren Strafe beharrte.
Wie viel es S. nutzen wird, auch ohne Deal ein Geständnis abgelegt zu haben, ist offen. Den Prozess verkürzen dürfte seine Kehrtwende nicht: Das Gericht muss aufwändig den Wahrheitsgehalt der Einlassung überprüfen. »Was wir gehört haben, ist wenig und lässt erhebliche Zweifel bestehen«, sagt Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann, der mehrere Überlebende des Attentats vertritt. Es sei »sehr durchsichtig«, wie offensiv der Angeklagte versuche, seinen Freund St. herauszuhalten und alle Schuld einem Aussteiger aufzuhalsen. Andere Verfahrensbeteiligte werden noch deutlicher: Kein Geständnis sei das gewesen, sondern eine »Räuberpistole«.
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