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»Krisenhelfer« Rheinmetall
Zur Hauptversammlung des Rüstungskonzerns waren auch Kriegsgegner angereist
»An jedem Krieg, in jedem Land verdient am Schluss die Deutsche Bank.« Dieser Spruch wird gerne von friedenspolitischen Gruppen skandiert, um die Geschäftspraktiken und Beteiligung an Kriegen der größten deutschen Bank zu rügen. Spätestens seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine trifft die Parole mindestens auch auf Rheinmetall zu: Der größte deutsche Rüstungskonzern profitiert schon seit mehr als 130 Jahren von militärischen Auseinandersetzungen.
Anlässlich der Hauptversammlung des Dax-Konzerns am Dienstag in Düsseldorf übten in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt etwa 100 Antimilitaristen massive Kritik an dem Unternehmen. Bei einer Mahnwache und einer Kundgebung unter dem Motto »Rheinmetall entrüsten! Stoppt das Geschäft mit dem Krieg!« vor der Konzernzentrale in Düsseldorf ging es um die Produktion und die Exportpolitik des Konzerns, dessen Aktienwert sich seit Ende Februar 2022 fast verdreifacht hat.
Hauptorganisatoren des Protests sind Armin Lauven und Martin Singe vom Netzwerks Friedenskooperative. Beide sind auch Mitglieder der traditionsreichen Friedensorganisation »Pax Christi« in Bonn. Im Gespräch mit »nd« holt Lauven zum großen Rundumschlag aus: »Von den politisch Verantwortlichen fordern wir ein strengeres Rüstungsexportkontrollgesetz, das auch die Schlupflöcher für Waffenexporte über Tochterfirmen zur Umgehung derzeit bestehender Regelungen schließt.« Rheinmetall versuche durch die Schaffung »neuer Heimatmärkte« deutsche Exportregularien zu umgehen und von dort Waffen in alle Welt zu liefern, frei von jeglichen Restriktionen. Aktuell baut der Konzern eine Munitionsfabrik und eine Produktionsstätte für den Schützenpanzer »Lynx« in Ungarn auf.
In Düsseldorf fordern die Protestierenden, was sie schon immer gefordert haben: »Sämtliche Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete müssen verboten werden.« Sie kritisieren insbesondere, dass Rheinmetall Waffen an Staaten geliefert hat, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Deshalb hat die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« Anzeige gegen den Konzern wegen möglicher Beihilfe zu Kriegsverbrechen gestellt.
Konkret soll die Konzerntochter Rheinmetall Defence Kriegsschiffe der Vereinigten Arabischen Emirate mit Marinegeschützen nachgerüstet haben, die bei der Seeblockade des Jemen zum Einsatz kamen. Dabei sollen auch zivile Versorgungsschiffe aufgehalten worden sein, was eine wesentliche Ursache für die seit Jahren anhaltende schlimmste humanitäre Krise weltweit ist. Tatsächlich hat der Generalbundesanwalt deswegen mittlerweile ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet.
»Konzerne wie Rheinmetall und Parteien wie die Grünen treiben die Aufrüstung Deutschlands massiv voran. Sie nutzen den Ukraine-Krieg, um die Waffenproduktion als nachhaltig und moralisch zu verkaufen«, sagt Timo Heuser von »Rheinmetall entwaffnen«. In Zeiten von immer mehr Kriegen und Aufrüstung sei die »Entwaffnung der Rüstungskonzerne eine dringliche Aufgabe«.
Rheinmetall wolle derzeit 4,30 Euro Dividende pro Aktie an seine Aktionäre ausschütten, sagt Armin Lauven. »Wir rufen die Aktionärinnen und Aktionäre auf, ihre blutgetränkten Aktien zurückzugeben und auf zivile Alternativen zu setzen, nicht auf weitere Kriege«, fordert er auf der Kundgebung, auf der Rheinmetall-Chef Armin Papperger und Kanzler Olaf Scholz symbolisch mit Geldscheinen beworfen werden.
Auf großen Transparenten, die die Aktivisten vor die Konzernzentrale tragen, stehen Slogans wie »Rheinmetall – Händler des Todes« oder »Mit Sicherheit tödlich: Ende Dividende« steht. Doch das irritiert die Damen und Herren, die zur Hauptversammlung gekommen sind, genauso wenig wie die Attrappe einer Bombe oder die große »Rheinmetall-Blutaktie«.
Als selbsternannter nachhaltiger Sicherheitsgarant im Ukraine-Krieg erhofft sich Rheinmetall eine Imagepolitur, obwohl sich an den zweifelhaften Geschäftspraktiken nichts geändert hat. Dies zeigt sich an den Worten von Papperger. Deutschlands größter Rüstungskonzern wolle künftig Panzer, Flugabwehrraketen und Munition für die Ukraine dortselbst herstellen. Man versuche, in den nächsten Wochen einige Kooperationen und Gemeinschaftsunternehmen mit ukrainischen Firmen abzuschließen, kündigt der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens an. Es gehe um Joint Ventures für Fahrzeug- und Luftabwehrsysteme sowie um Munition. Damit wolle man die Ukraine mittel- bis langfristig befähigen, »sich selbst verteidigen zu können«. Die Investitionen in neue Werke kämen vom ukrainischen Staat.
Seit März ist bekannt, dass in der Ukraine der Kampfpanzer Panther gebaut werden soll. Pro Jahr könnten es den Rheinmetall-Plänen zufolge demnächst bis zu 400 sein. So wie man den Schützenpanzer Lynx in einem Werk in Ungarn baue, »so könnte nach vergleichbarem Muster künftig unser neu entwickelter Kampfpanzer Panther in einem ukrainischen Werk vom Band rollen«, sagte Papperger auf dem Treffen der Aktionäre. Die Nachfrage werde hoch sein im Kriegsland Ukraine, und zwar dauerhaft.
Je mehr Krieg auf der Welt und speziell in der Ukraine, desto besser für Rheinmetall. Friedensorganisationen weisen darauf hin, dass die Düsseldorfer Waffenschmiede auch an der Herstellung von Teilen für den atomwaffenfähigen Tornado-Kampfjet-Nachfolger F-35 des US-Konzerns Lockheed Martin beteiligt ist. Die Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) forderten den Konzern anlässlich der Hauptversammlung auf, die Beteiligung am Bau des Atombomber einzustellen. Die Bundesregierung hat bei Lockheed Martin im vergangenen Jahr 35 Maschinen dieses Typs bestellt.
Dies, moniert IPPNW, stehe im Widerspruch zu den eigentlichen Zukunftszielen der Bundesregierung in Bezug auf Klima und Soziales. »Schon bei der Produktion der F-35-Kampfjets werden enorme Mengen an Treibhausgasen ausgestoßen«, erklärte die Organisation am Montag. Im Betrieb steige der CO2-Ausstoß exorbitant: »6000 Liter Kerosin verbraucht der F-35- Kampfjet in nur einer Flugstunde. Eine Tankladung, ein Kampfeinsatz, produziert 28 Tonnen CO2-Äquivalente.«
Die Erfolgskurve für Rheinmetall dürfte dennoch weiter steil nach oben gehen. 2023 könnte, sagte Papperger in Düsseldorf, das beste Jahr der Firmengeschichte in puncto Auftragseingänge werden. Deren aktuelle Aktivitäten verkauft der Konzernchef als »relevanten Beitrag dazu, unsere freiheitliche Grundordnung zu schützen, die unsere Werte und Grundrechte garantiert«. Die Ausstattung der Ukraine mit Fahrzeugen, Waffen, Munition, Flugabwehr und Schutzrüstung der Firma seien »heute wichtiger denn je«.
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