Bundespolizei erhält Kompetenzen zur Gefahrenabwehr

Entwurf für neues Gesetz erlaubt zahlreiche neue Überwachungsmaßnahmen

2005 wurde der Bundesgrenzschutz (BGS) in Bundespolizei umbenannt, bereits 1994 hatte er seinen Kombattantenstatus verloren. Damit ging eine Epoche hoch militarisierter Polizei zu Ende: Die Truppe wurde nicht mehr als Reserve gegen einen etwaigen Einmarsch russischer Streitkräfte vorgehalten und musterte einen beträchtlichen Teil ihrer paramilitärischen Ausrüstung aus. Mit der Reform erhielt der BGS aber Kompetenzen zur Strafverfolgung, wie sie auch die Landespolizeien innehaben.

Seit Jahren will die Bundesregierung das Bundespolizeigesetz von 1994 modernisieren, diese Woche hat das Innenministerium einen ersten Entwurf vorgelegt. Im Mittelpunkt stehen neue Befugnisse zur Gefahrenabwehr. Hierzu gehört etwa die Telekommunikationsüberwachung, die dem Entwurf zufolge auch »präventiv« erfolgen darf. Die Beamten dürfen dazu von Mobilfunkbetreibern Verkehrsdaten erheben, um mithilfe »Stiller SMS« Bewegungsprofile von Verdächtigen zu erstellen oder deren Kontaktpersonen aufzuspüren. So sollen »unerlaubte Einreisen« oder die Ausreise »extremistischer oder gewaltbereiter Personen« verhindert werden.

Ebenfalls zur Gefahrenabwehr sollen Bundespolizisten in Wohnungen abhören und Bildaufnahmen anfertigen dürfen, wenn dies der Bekämpfung der »schweren Schleusungskriminalität« oder »organisiert handelnden Tätergruppierungen« dient. Seit 2016 darf die Bundespolizei verdeckte Ermittler einsetzen und Vertrauenspersonen führen, auch dies soll auf die Gefahrenabwehr ausgedehnt werden.

Eine eigene Bestimmung erhält der Einsatz »selbsttätiger Bildaufnahme- und Bildaufzeichnungsgeräte«, die etwa an Grenzen aufgestellt werden können. Auch das Tragen von Bodycams sowie die Videoüberwachung von Gewahrsamsräumen wird gesetzlich geregelt. Die Bundespolizei soll wie bisher Kennzeichenlesegeräte aufstellen dürfen, sofern dies »vorübergehend und nicht flächendeckend« erfolgt. Neu ist die ausufernde Nutzung von Drohnen, die im Gesetzentwurf als »mobile Sensorträger« bezeichnet werden und bei allen öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen sowie an Bahnhöfen Bild und Ton aufnehmen können. Zudem erhält auch die Bundespolizei Mittel zur Abwehr unerwünschter Drohnen.

In der Vorlage findet sich zudem die Möglichkeit zur Verhängung eines bis zu drei Monate gültigen Aufenthaltsverbotes, wenn eine Person nach Einschätzung der Beamten eine Straftat von erheblicher Bedeutung »begehen wird«. Begründet wird die neue Vorschrift mit Gewaltdelikten »im Kontext des Fußballfanreiseverkehrs«.

Rassistische Polizeikontrollen werden im neuen Gesetz nicht ausgeschlossen. Zur Bekämpfung »unerlaubter Einreise« kann die Bundespolizei Personen aufgrund ihres Äußeren anhalten, »soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung« ein Verdacht besteht. Betroffenen kann auf Verlangen eine – auch digitale – Bescheinigung über die Maßnahme und ihren Grund ausgestellt werden.

Schließlich wird auch die Bundespolizei der Kennzeichnungspflicht unterworfen. Auf Verlangen sollen sich Beamte ausweisen oder wenigstens die auf dem Dienstausweis eingetragene »Individualnummer« mitteilen. Bei Amtshandlungen sollen sie ein Schild mit dem Familiennamen oder einer fünfstelligen Dienstnummer tragen. In Einsatzeinheiten wird eine »taktische Kennzeichnung« vorgeschrieben.

Der Gesetzesentwurf kann nun von Verbänden und anderen Interessengruppen kommentiert werden. Kritik an den Vorschlägen kommt etwa von Martina Renner, der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag. Die Bundespolizei werde zu einem Instrument »repressiver Abschottungspolitik« ausgebaut, sagt Renner dem »nd«, dies werde »«durch ein paar Kontrollquittungen nicht besser». Erheblichen neuen Eingriffsbefugnissen stünden «ein paar bürgerrechtliche Placebos gegenüber».

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