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Deutsches Eishockey-Team will bei der WM ausbrechen
Viele Absagen, aber Olympia bleibt das Ziel. Unter neuem Trainer soll ein junges DEB-Team für Überraschungen sorgen
Sportkommentatoren in Kanada und den USA bezeichnen Leon Draisaitl derzeit oft als »Mann auf einer Mission«. Zum Leidwesen des neuen Eishockey-Bundestrainers Harold Kreis beinhaltet diese Mission jedoch keine Medaillenjagd mit der deutschen Nationalmannschaft. Der 27-jährige Draisaitl, der längst zum besten Spieler der deutschen Eishockeygeschichte aufgestiegen ist, will mehr als acht Jahre nach seinem Debüt mit den Edmonton Oilers in der stärksten Liga der Welt endlich NHL-Meister werden. Viele Experten trauen ihm das auch zu, schließlich erzielte der gebürtige Kölner in den ersten acht Partien der diesjährigen Playoffs überragende 13 Tore.
Trifft er mal nicht, wie in der Nacht zum Donnerstag, dann helfen die Kollegen aus, so dass die Oilers durch einen 4:1-Heimsieg gegen Las Vegas zum 2:2 in der Best-of-seven-Serie ausglichen. Draisaitl hat also weiterhin zu tun in Übersee, weshalb er zum Start der Weltmeisterschaft in Finnland und Lettland dem Team des Deutschen Eishockey-Bunds (DEB) an diesem Freitag definitiv fehlen wird. Erreicht er mit Edmonton auch das Halbfinale, fällt er endgültig für das ganze WM-Turnier aus.
Der Star fehlt also, und er ist längst nicht der einzige. Eine nicht enden wollende Welle von Absagen traf den Bundestrainer in den vergangenen Wochen. Mehr als ein Dutzend Leistungsträger ist nicht nach Tampere mitgereist, viele aus Verletzungsgründen, aber längst nicht alle. Auch Torhüter Philipp Grubauer spielt noch um den Stanley Cup in der NHL. »Ich sehe bei beiden noch eine Möglichkeit. Wir haben da bislang kein eindeutiges Nein«, sagte DEB-Sportdirektor Christian Künast.
Harold Kreis ist da pragmatischer: »Es ist kein Wunschkonzert.« Nach den zusätzlichen Absagen von Patrick Hager, Matthias Plachta, Tim Stützle, Lukas Reichel, Tom Kühnhackl und Tobias Rieder musste er speziell im Sturm neue Talente finden. Schlussendlich hat der als Defensivliebhaber bekannte Trainer neun Spieler unter 24 Jahren nominiert und dafür freiwillig auf die drei besten deutschen Torjäger der abgelaufenen DEL-Saison verzichtet: Maxi Kammerer, Dominik Bokk und Daniel Schmölz (je 24 Treffer).
Vom Ziel, die direkte Qualifikation für die Olympischen Spiele 2026 in Mailand zu schaffen, ist der DEB dennoch nicht abgerückt. Dafür könnte die Viertelfinalteilnahme reichen, vielleicht aber auch nicht. Deutschland ist Neunter der Weltrangliste, die ersten Acht lösen das Direktticket und müssen kein Qualifikationsturnier mehr bestreiten. Sollte Russland, das ursprünglich auch diese WM ausrichten sollte, wegen des Ukraine-Kriegs ausgeschlossen bleiben, würde aber auch Ranglistenplatz neun reichen.
Jung heißt beim DEB auch nicht unbedingt unerfahren. »Wir sind ein schnelles Team, in dem alle hungrig sind und hart arbeiten«, sagt John-Jason Peterka. Der 21-Jährige hat in seiner Debütsaison in der NHL überzeugt und ist im aktuellen Kader zum Leistungsträger aufgestiegen. Der neue Star ist allerdings Verteidiger Moritz Seider. Der Mann von den Detroit Red Wings hatte zunächst auch abgesagt, weil »der Körper ein bisschen Pause braucht« und kleine Blessuren auskuriert werden mussten. Am Montag überraschte er dann mit der Nachricht, doch zum WM-Team stoßen zu wollen.
Das rechnet ihm nicht nur Kreis hoch an. »Er ist ein international fantastischer Spieler, der uns einfach verstärkt«, sagte der Bundestrainer. Auch Seiders Kollegen freuten sich und wussten um die Tragweite der Entscheidung. Schließlich steht Seider vor wichtigen Verhandlungen mit den Red Wings und seinem ersten lukrativen Vertrag in der NHL. Eine Verletzung bei der WM würde all dies gefährden. »Trotzdem zu sagen: ›Ich mache das.‹ Das ist wirklich eine starke Leistung von ihm«, lobte DEB-Kapitän Moritz Müller, der Seider offenbar auch etwas überredet hatte: »Ich habe zu ihm gesagt: ›Es ist wie bei Spiderman: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung‹. Ich finde, er ist der Verantwortung gerecht geworden in dieser Situation.«
Im Sturm liegen die Hoffnungen auf Nico Sturm. Der 28-jährige hat zwar nicht die Aura und Torgefährlichkeit eines Leon Draisaitl, ihm aber immerhin einen Stanley Cup aus dem vergangenen Jahr voraus. In WM-Gruppe A soll er das deutsche Team mindestens auf Platz vier unter acht Teams führen. Allerdings geht es gleich zu Beginn gegen die drei Topnationen der Gruppe: Schweden (Freitag), Titelverteidiger Finnland (Samstag) und die USA (Montag). Zumindest in den Vorbereitungsspielen, die Deutschland mit vier Siegen und drei Niederlagen absolvierte, war man gegen die »Großen« Tschechien und USA jeweils klar unterlegen. Nicht von ungefähr hat der DEB einen Mentaltrainer mit zur WM genommen, der schon vorab viel mit dem Team besprochen hat. »Da geht es auch darum, wie wir damit umgehen, wenn wir nach drei Spielen noch keinen Punkt haben«, verriet der Bundestrainer.
Sportdirektor Künast glaubt, dass es auch der neu formierte Kader weit bringen kann: »Wir haben Spieler, die unglaubliches Potenzial haben. Weltmeisterschaften sind auch dafür da, dass sie dann ausbrechen. Nach dem Turnier sind wir schlauer.«
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