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Personalmangel: »Mitten in einer akuten Pflegekrise«
Situation in der Pflege ist dauerhaft angespannt
Wer auf Pflege angewiesen ist, kann in Deutschland nicht darauf vertrauen, zeitnah die benötigte Hilfe zu bekommen. Mehrere Experten schlugen in dieser Woche Alarm. »Die Versorgungssicherheit in der Langzeitpflege ist akut gefährdet«, stellt die evangelische Diakonie am Dienstag fest. Auch die Caritas, der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche, macht am Donnerstag während einer Pressekonferenz auf die schlechte Situation in den Care-Berufen aufmerksam.
In den letzten sechs Monaten mussten laut Diakonie mehr als zwei Drittel der Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste des Wohlfahrtsverbandes bereits Leistungen aufgrund von Personalmangel sowie wegen Erkrankungen von Mitarbeitenden einschränken. In der stationären Pflege konnten 72 Prozent der Träger Leistungen nicht erbringen. Dies betrifft vor allem die Neubelegung freier Betten.
Bei der ambulanten Pflege ist die Situation demnach noch schlimmer: 89 Prozent der Dienste mussten in den letzten sechs Monaten Neukundinnen ablehnen, und 29 Prozent konnten im selben Zeitraum Leistungen von Bestandskunden nicht aufstocken. Die Zahlen gehen aus einer Umfrage des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) und der Diakonie Deutschland unter mehr als 600 ihrer Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste in ganz Deutschland hervor. »Das Versorgungsangebot reduziert sich trotz steigender Nachfrage massiv, gleichzeitig steigen die Insolvenzen«, so Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP. »Die Politik muss jetzt mit einer grundlegenden Struktur- und Finanzreform der Pflege beginnen, damit wir endlich vor die Krise kommen«, fordert er.
Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für eine Pflegereform würden sinnvolle Bautseine enthalten, die »allerdings auf einem sehr brüchigen finanziellen Fundament stehen«, so Wesemann. Die Reform soll Pflegebedürftige und deren Familien entlasten. Das Pflegegeld, das als Unterstützung gezahlt wird, wenn jemand zu Hause gepflegt wird, soll laut dem Gesetzesentwurf zum Januar 2024 um fünf Prozent steigen, ebenso die Beiträge für Sachleistungen. Menschen, die im Pflegeheim wohnen, sollen dann ebenfalls einen geringeren Eigenanteil für die Pflegeleistungen zahlen müssen.
Zur Finanzierung des Vorhabens ist es geplant, den Pflegebeitrag anzuheben, der vom Bruttoeinkommen abgezogen wird. »Die vorgesehene Erhöhung des Beitragssatzes auf 3,4 Prozent reicht bei Weitem nicht aus, um die notwendige Versorgung der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland hinreichend zu sichern«, kritisierte Wesemann.
Auch die Caritas beklagt eine fehlende Finanzierung für die Pflege. »Angesichts eines allumgreifenden Fachkräftemangels in den Care-Berufen und unsicherer Finanzierungszusagen der Politik sind Einschränkungen des Angebots und Schließungen von Einrichtungen bereits Realität«, erklärt Norbert Altmann, Sprecher der Caritas-Dienstgeberseite am Donnerstag. In einer Befragung in den Betrieben des Wohlfahrtsverbands gaben zwei Drittel an, dass sie in den nächsten Jahren mit Personalmangel in ihren Bereichen rechnen. Bereits im vergangenen Jahr fand sich demnach für jede vierte Stelle keine geeignete Fachkraft.
Aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge arbeiteten im Jahr 2021 zwar 134 Prozent mehr Menschen in ambulanten Pflegediensten als noch 2001. Trotzdem hat sich die Personalnot verschärft, denn im selben Zeitraum ist die Zahl der Pflegebedürftigen, die von solchen Diensten zu Hause versorgt werden, um 141 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der Beschäftigten in Pflegeheimen nahm binnen 20 Jahren um 71 Prozent zu. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der hier betreuten Pflegebedürftigen im vollstationären Bereich um 31 Prozent und im teilstationären Bereich um mehr als das Zehnfache. Zudem hat laut Statistischem Bundesamt ein Viertel der Beschäftigten in der Pflege keinen Berufsabschluss, viele weitere haben einen fachfremden Berufsabschluss.
»Nötig ist ein radikales Umdenken in der Politik, wenn wir die Pflege vor dem Kollaps bewahren wollen. Wir brauchen eine gemeinsame gesellschaftliche und politische Anstrengung, um das Pflegesystem zu heilen«, forderte Maria Loheide, Sozialvorständin der Diakonie Deutschland. »Die Zahlen zeigen es: Wir sind bereits mitten in einer akuten Pflegekrise.«
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