- Berlin
- Polizeigewalt
Berlin: Der Fall Mutombo hat sich nicht erledigt
Er starb nach einem Polizeieinsatz: Sein Bruder will Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens einlegen
Es sind schwere Vorwürfe, mit denen Mutombo Mansamba seit dem Tod seines Bruders die Berliner Polizei konfrontiert. Illegitime Gewalt sollen die Beamten gegen den an Schizophrenie erkrankten Kupa Ilunga Medard Mutombo angewandt haben, um ihn in die geschlossene Psychiatrie zu bringen. Mit dem Knie habe einer von ihnen auf Mutombos Nacken gedrückt und ihm so die Luft abgeschnürt. Die Anstalt sollte der 64-Jährige nie erreichen: Er kollabierte und starb Ende 2022 im Krankenhaus.
Nun hat die Staatsanwaltschaft das durch Mutombo Mansambas Strafanzeige ausgelöste »Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Beamte der Berliner Polizei wegen Körperverletzung im Amt« eingestellt. »Die Ermittlungen haben nicht zu einem konkreten Tatverdacht gegen einen oder mehrere der an dem Einsatz am 14. September 2022 beteiligten Polizeibeamten geführt«, zitiert der RBB am Mittwoch aus einem Schreiben des ermittelnden Staatsanwalts. Weder in vorsätzlicher noch in fahrlässiger Form lasse sich ein Fehlverhalten erkennen.
Der Bruder des Verstorbenen will sich damit nicht zufriedengeben, seine Anwältin hat Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens eingelegt. Von Beginn an, so die Juristin, sei im Fall Mutombo »halbherzig ermittelt« worden. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft bereits eingeräumt, keine der am Einsatz beteiligten Beamten noch einmal zum Vorfall befragt zu haben. Stattdessen beruft sich die Behörde auf die Ergebnisse einer Obduktion, die mit dem Tod Mutombos drei Wochen nach besagtem Einsatz durchgeführt wurde. Als Ursache für den Kreislaufzusammenbruch wird eine »emotionale Stressreaktion« im Zusammenhang mit der Krankheit des Verstorbenen sowie dem Einsatz selbst genannt. Außerdem soll Mutombo seine Medikamente Wochen zuvor abgesetzt haben; Untersuchungen hätten Hinweise auf eine »krankhafte Veränderung« des Gehirns durch langfristigen Drogenmissbrauch ergeben.
Scharfe Kritik kommt vonseiten der Opferberatungsstelle Reachout. »Die Staatsanwaltschaft in Berlin hat eine Richtlinie«, sagt Mitbegründer Biplab Basu zu »nd«. »Erst werden Ermittlungen aufgenommen und dann ein paar Monate später fallen gelassen – egal ob es um Erstickung geht oder Schüsse.« Seit Reachout 2001 seine Tätigkeit aufgenommen habe, sei es noch nicht einmal anders abgelaufen. In dem Verweis auf den Drogenmissbrauch Mutombos sieht Basu einen Vorwand. So würden bei Einstellung der Verfahren die Opfer selbst für ihren Tod verantwortlich gemacht. »Dass die Berichte der Polizei in solchen Fällen auch mal falsch sein können, wird von der Staatsanwaltschaft gar nicht erst in Betracht gezogen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.