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Fußball der Frauen: Trauriger Absturz von Turbine Potsdam
Der Abstieg von Potsdams Fußballerinnen ist kaum aufzuhalten, eine Rückkehr nach oben ungewiss
Gestern Madrid, morgen Mailand – so läuft das Leben von Josephine Henning. Als Champions-League-Expertin eines Pay-TV-Senders jettet die frühere Nationalspielerin zwischen den Städten umher, die um den Finaleinzug spielen. Wenn sie ins Reden kommt, stehen Mario Gomez und Matthias Sammer schon mal staunend neben ihr, sie hat als Fußballerin schließlich einiges vorzuweisen: Allein viermal gewann die 33-Jährige die Champions League, das erste Mal 2010 mit Turbine Potsdam. Das verrückte Elfmeterschießen gegen Rekordsieger Olympique Lyon war einer ihrer emotionalsten Erfolge.
Es gibt schöne Bilder, wie die Potsdamerinnen in ihren knallroten Trikots über den Rasen in Getafe stürmen – viele direkt in die Arme der Trainerlegende Bernd Schröder, der mit harter Hand bemerkenswert viel erreichte. Der Verein aus Brandenburg hat zahlreiche prägende Figuren hervorgebracht – und meist schnell verloren. Doch nun könnte der Abstieg von Turbine Potsdam aus der Bundesliga nach diesem Wochenende besiegelt sein. Eine echte Traditionsmarke, vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen am drittletzten Spieltag abgeschlagen Letzter, hat den Anschluss verpasst.
Einer wie Co-Trainer Dirk Heinrichs hat daran schwer zu knabbern. »Es ist traurig. Gerade mental ist es natürlich unheimlich schwer für die Mädels«, sagte der 54-Jährige nach der jüngsten 1:6-Pleite bei der TSG Hoffenheim. Heinrichs arbeitet seit zwei Jahrzehnten für den Klub und sah hilflos, wie die Konkurrenz sich immer weiter professionalisierte, während die Strukturen beim einstigen Aushängeschild amateurhaft blieben.
Den großen Umbruch im vergangenen Sommer hat das Team nicht mehr verkraftet. Spielerinnen aus 17 Nationen stehen im Kader, aber es passt weder auf dem Platz noch außerhalb zusammen. »Die Dinge liefen nicht gut für uns in der Hinrunde«, sagt die israelische Nationalspielerin Noa Selimhodzic im Magazin »Elfen« über die Turbulenzen mit zwei Trainerwechseln: »Da fiel es mir schon manchmal schwer, positiv zu bleiben.« Zeitweise war der jeweils sechsfache DDR- und gesamtdeutsche Meister führungslos.
Der Absturz tut auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg weh, denn die 125-fache Nationalspielerin hat aus ihrer aktiven Zeit ein Faible für die reinen Frauenvereine – als noch Siegen, Bergisch Gladbach, Heike Rheine, KBC Duisburg und Bad Neuenahr das Erscheinungsbild prägten. Sie würde es bedauern, wenn Turbine »auf der Fußballlandkarte erstmals aus der Bundesliga verschwindet. Ich hoffe, dass sie die Energie haben, auch die Lust und die Bereitschaft haben, wieder nach oben zu kommen.« Doch die 55-Jährige weiß auch: »Der Weg ist ungleich schwerer als bei einem Verein, der eine bestehende Infrastruktur hat.« So rückt für Potsdam aus den neuen Bundesländern der Verein RasenBallsport Leipzig nach, der auch bei den Frauen sehr bald zu den Besten gehören will.
Immerhin haben bei Turbine laut Heinrichs »viele Spielerinnen noch einen Vertrag – für die erste und zweite Liga«. Doch wirtschaftlich werden die Zeiten nicht leichter. Die rund 300 000 Euro aus der Zentralvermarktung des DFB fallen weg. »Man sollte die zweite Liga nicht unterschätzen«, warnt Heinrichs. Ob man den direkten Wiederaufstieg anstreben kann, wird erst nach einer eingehenden Prüfung entschieden. »Turbine Potsdam ist ein Verein, muss aber wie ein mittelständischer Betrieb geführt werden«, fordert der im Herbst gewählte Präsident Karsten Ritter-Lang. Der im Potsdamer Umland lebende Mediziner verlangt klare Strukturen und Kompetenzen. Aber nicht nur daran hat es in jüngerer Vergangenheit gemangelt, sondern auch an der finanziellen Ausstattung.
Erschwerend kommt hinzu, dass in Berlin echte Konkurrenz erwächst: Hertha BSC schließt sich mit Hertha 03 Zehlendorf in der Regionalliga Nordost zusammen, auch der 1. FC Union als Zweiter der Regionalliga strebt mit seinen Frauen nach oben. Selbst Potsdams früherer Rivale, der 1. FFC Frankfurt, wäre bald wohl in der Versenkung verschwunden, wenn es nicht 2020 die Fusion mit Eintracht Frankfurt gegeben hätte, erzählte Siegfried Dietrich kürzlich bei seinem Abschied. Für den Zusammenschluss riskierte »Mister Frauenfußball« seine Gesundheit. Ohne einen Lizenzverein im Rücken geht auf oberster Ebene nichts mehr.
Im Schnitt macht ein Frauen-Bundesligist derzeit rund 1,5 Millionen Euro Verlust, die gesamten Erlöse werden von den Personalkosten aufgefressen. Klubs aus dem Fußball der Männer leisten sich das locker, für die Frauenvereine ist diese Entwicklung ruinös. DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich glaubt, dass sich das Teilnehmerfeld in den nächsten fünf Jahren in beiden Frauen-Bundesligen »noch mal deutlich verändern« werde. Sie erinnerte aber auch daran, dass die SGS Essen als bald letzter Frauenverein es »mit Kreativität, guter Schwerpunktsetzung und funktionierendem Netzwerk« vormache, auch mit geringeren Mitteln mitzuhalten. Potsdams Abstieg finde sie »sehr schade«, dieser Verein sei für die Region »einmalig« und für die Entwicklung in Deutschland »bezeichnend« gewesen.
Gleichwohl wirkt das Bedauern etwas gespielt. Der DFB redet den defizitären Betrieb der Frauen-Bundesliga gerne schön und fordert sogar noch mehr Investitionen. Die DFL schreibt neuerdings in der Lizenzierungsordnung fest, dass Profivereine den Fußball der Frauen fördern oder zumindest eine Kooperation unterhalten müssen: Bald werden ein Dutzend Plätze für die Frauen-Bundesliga zu wenig sein. Als Ullrich noch die zuständige DFB-Direktion leitete, dominierten bereits der VfL Wolfsburg und Bayern München. Die 2021 neu formatierte Champions League sieht spätestens im Viertelfinale wie ein Abziehbild der Männer aus. Trendsetter sind der FC Barcelona, Chelsea und Arsenal, Paris St. Germain und Olympique Lyon – sowie Wolfsburg und Bayern. Turbine Potsdam wird Champions-League-Spiele in großen Arenen wohl nie mehr erleben.
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