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Bahnstreik: Kein gutes Zeichen für die Beschäftigten

Der 50-Stunden-Warnstreik bei der Bahn ist kurzfristig abgesagt worden

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.

Der 50-stündige Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) bei der Deutschen Bahn findet nicht statt. Nachdem die Bahn am Sonnabend einen Eilantrag beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit dem Ziel der Untersagung der Arbeitsniederlegung eingereicht hatte, einigten sich die Prozessbeteiligten im Laufe der Verhandlung auf einen Vergleich, in dem sich die EVG verpflichtete, den Streik abzusagen, der am Sonntag um 22 Uhr beginnen sollte.

Im Gegenzug erklärte das Unternehmen seine Bereitschaft, den gesetzlichen Mindestlohn künftig für alle Beschäftigten tariflich zu garantieren. Bei bis zu 3000 Beschäftigten des Konzerns erfolgte dies bislang nur über Zulagen. Auf dieser Grundlage sollen dann auch künftige tarifliche Lohnerhöhungen für die Beschäftigten wirksam werden und nicht mehr teilweise auf die Zulagen angerechnet werden können. Allerdings ersetzt diese Bereitschaftserklärung des Konzerns keine verbindliche Tarifvereinbarung. Die nächste Verhandlungsrunde ist für Ende Mai geplant.

Dass sich die EVG mit diesem eher bescheidenen Zugeständnis zufrieden gibt, ist nur schwer nachvollziehbar, denn es betrifft nicht mal zwei Prozent der von EVG vertretenen 180 000 Tarifbeschäftigten bei der Bahn AG. Ursprünglich war die Gewerkschaft recht selbstbewusst in die Tarifrunde gestartet. Gefordert wurde – und wird offiziell noch immer – eine Erhöhung der Tabellenentgelte um zwölf Prozent, mindestens aber 650 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Mit einem derartigen Sockelbetrag hätte sich die Mindestlohn-Problematik ohnehin erledigt.

Zur Begründung dieser Forderungen erklärte die stellvertretende EVG-Vorsitzende Cosima Ingenschay im Februar: »Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in der vorangegangenen Tarifrunde, mit einem Lohnplus von 1,5 Prozent, deutliche Zurückhaltung geübt haben. Dass es Nachholbedarf geben wird, haben wir immer deutlich gemacht.« Hinzu komme, dass die Inflation nach wie vor hoch sei; bei den Verbraucherpreisen ist noch lange keine Entspannung in Sicht. »Deshalb ist unsere Forderung einfach nur notwendig, um den Beschäftigten bei Bus und Bahn das Notwendigste zum Leben zu ermöglichen«, so Ingenschay.

Die Bahn bot zuletzt zehn Prozent Lohnerhöhung für untere und mittlere Einkommen in zwei Schritten, mit einer Nullrunde bis März 2024 und einer Laufzeit von 27 Monaten. Zusätzlich soll es einen steuerfreien, ebenfalls mehrstufigen »Inflationsausgleich« in Höhe von 2850 Euro geben, der aber nicht in die Tariftabelle eingehen würde. Für die Mindestlohnbezieher wurde ein »bahnspezifischer Mindestlohn« von 13 Euro pro Stunde geboten, Lohnerhöhungen in diesem Bereich sollen entsprechend gedeckelt werden.

Die EVG bezeichnete dieses Angebot noch vor wenigen Tagen als »nicht verhandlungsfähig« und begründete damit auch die Vorbereitung weiterer »massiver Warnstreiks«. Parallel dazu gab es außerhalb der offiziellen Tarifrunden weitere Gespräche mit dem Bahn-Management. Dabei wurde deutlich, dass sich die EVG nur noch auf die Mindestlohn-Frage fokussierte und der Bahn AG am Mittwoch auch ein entsprechendes »Ultimatum« stellte, laut dem der angekündigte Warnstreik abgewendet werden könnte, wenn die gesetzlichen Mindestlöhne tariflich verankert und Lohnerhöhungen darauf in voller Höhe wirksam werden. Die ursprünglichen Forderungen der EVG, etwa nach einer Lohnerhöhung um mindestens 650 Euro pro Monat, spielten keine Rolle mehr. Dieses bis Freitagmittag befristete Ultimatum ließ das Unternehmen verstreichen und kündigte stattdessen juristische Schritte gegen den Streik an.

Beobachter der Gerichtsverhandlung am Sonnabend berichteten, dass die Richterin ihre Zweifel an der »Verhältnismäßigkeit« des angekündigten 50stündigen Warnstreiks angesichts des vergleichsweise geringfügigen Inhalts der jetzt formulierten Forderung mehrmals deutlich gemacht habe und auf einen Vergleich drängte. Es erschien demnach wahrscheinlich, dass der Streik vom Gericht untersagt worden wäre. Allerdings hat sich die EVG selbst in diese schwache Position gebracht – wäre der Streik für die ursprünglichen, offiziell ja noch nicht revidierten Forderungen angekündigt gewesen, hätte die Gewerkschaft sehr gute Chancen gehabt, sich vor Gericht durchzusetzen. Das zeigen frühere Versuche der Bahn, angekündigte Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu unterbinden, die vor Gericht scheiterten.

Für den Fortgang der Tarifgespräche verheißt das für die von der EVG vertretenen Beschäftigten nichts Gutes. Es zeichnet sich ein baldiger Abschluss ab, der weder die massiven Reallohnverluste der vergangenen beiden Jahre auch nur ansatzweise kompensiert, noch einen Puffer in Bezug auf die immer noch deutliche Inflation beinhaltet. Zumal die sang- und klanglose Absage des groß angekündigten Warnstreiks ausgesprochen demobilisierend auf die Mitglieder wirken wird.

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