Weitere Milliarden für den Krieg

Zum Selenskyj-Besuch schnürt die Bundesregierung ein neues, intransparentes Waffenpaket

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Zum Anfang des erbarmungslosen russischen Angriffskriegs vor nunmehr 445 Tagen hat Deutschland ein paar Helme und allerlei humanitäre Güter in die Ukraine geschickt. Man ging – wie die Führungen in allen Nato-Staaten – von einem schnellen Sieg der russischen Armee aus. Doch die Ukraine schlug die Invasoren teilweise zurück und bereitet nun, so verkünden es Offizielle in Kiew täglich, eine machtvolle Offensive vor, um den Aggressor vollständig vom einst ukrainischen Territorium zu vertreiben. Dazu leistet die anfangs bedächtig handelnde Bundesregierung einen inzwischen nahezu unbegrenzten Beitrag.

Laut einer offiziellen Übersicht, die Anfang 2022 beginnt und zuletzt am 26. April 2023 aktualisiert wurde, genehmigte die Bundesregierung in diesem Zeitraum die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 2,75 Milliarden Euro in die Ukraine. Zudem gibt es zahlreiche nicht genehmigungspflichtige Lieferungen vor allem im Bereich der Logistik. Hinzurechnen muss man Mittel aus der sogenannten Ertüchtigungsinitiative, die Grundlage für weitere Rüstungsprodukte ist. Beträchtliche Summen fließen in den EU-Haushalt, aus dem die Ukraine ebenfalls militärisch aufgerüstet wird. Nicht beziffern lassen sich Unterstützungsleistungen wie die Ausbildung ukrainischer Soldaten und Kommandeure sowie Aufwendungen für militärische und geheimdienstliche Aufklärung, deren Ergebnisse der Ukraine zugutekommen.

Bevor Wolodymyr Selenskyi am Sonntag in Berlin eintraf, meldete das deutsche Verteidigungsministerium, dass die Regierung ein weiteres militärisches Paket für die Ukraine vorbereitet. Es habe einen Wert von mehr als 2,7 Milliarden Euro. Inzwischen steht der Umfang der deutschen Unterstützung, so betonte der ukrainische Präsident in Berlin, an zweiter Stelle nach den USA. Selenskyj sprach von einer »sehr wichtigen und starken Hilfe« und dankte vor allem »dir, Olaf, und dem gesamten deutschen Volk«. Der Angesprochene versicherte umgehend: »Wir unterstützen euch so lange, wie es nötig sein wird.«

Geliefert werden unter anderem 18 Radhaubitzen, Munition aller Art, vier weitere Iris-Feuereinheiten und zwölf Startgeräte für dieses Flugabwehrraketensystem. Auf der Liste stehen außerdem 30 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 A5 und weitere 20 Schützenpanzer Marder. Auch ist die Rede von über 100 gepanzerten Gefechtsfahrzeugen sowie mehr als 200 Aufklärungsdrohnen. »All dies und mehr« komme aus Industriebeständen bzw. der Industrieproduktion, heißt es.

Bei der offiziellen Auflistung bleiben zahlreiche Fragen offen, die auch die deutschen Steuerzahler interessieren dürften. Welche Preise werden für welche Produkte angesetzt, sind es beispielsweise bei den gebrauchten Kampfpanzern Neu-, Gebraucht- oder marktübliche Preise? Wieviel kassiert die Industrie? Die Lieferung der lange ausrangierten und nun wieder instandgesetzten Leoparden älteren Typs ist seit Monaten angekündigt und unter anderem mit Dänemark und den Niederlanden verabredet. Bei dem Projekt geht es um 80 Stück. Sind die 30 nun Teil dieses Paketes? Bei den 18 Radhaubitzen, so ist zu vermuten, handelt es sich um die Geschütze, die die Ukraine bereits im vergangenen Herbst bestellt hat. Woher die Marder sowie die stattliche Anzahl von gepanzerten Gefechtsfahrzeugen kommen, ist ebenfalls unklar.

Für Irritationen sorgte jüngst Oleksii Makeiev, der ukrainische Botschafter in Deutschland. Er behauptete, man spreche mit der Bundesregierung auch über Transportpanzer der Typen Boxer und Fuchs. Nicht greifbar ist die tatsächliche Anzahl der nun zu liefernden Flugabwehrsysteme Iris-T SLM. Klar ist, dass sie den Luftraum vor allem über Kiew sichern helfen. Ihre Startgeräte dürften zum Teil aus Schweden kommen. Scholz hatte sich gegenüber der Regierung in Stockholm bereits für die Bereitstellung bedankt.

Nicht auf der aktuellen Lieferliste stehen 15 weitere Flakpanzer Gepard. Die hatte die Bundeswehr vor Jahren nach Katar geliefert, nun wurden sie wieder zurückgekauft, heißt es aus der deutschen Botschaft in Washington. Solche Panzer sind essentiell für die von Kiew angekündigte Offensive, denn die russische Luftüberlegenheit in Frontnähe ist noch immer erdrückend. Ohne eine funktionierende Luftabwehr des Heeres wären die vom ukrainischen Generalstab geplanten geplanten Vorstöße höchst verlustreich.

Eine andere wertvolle Unterstützungsleistungen vermeldete bereits am Freitag Rheinmetall. Im Juli wird der boomende deutsche Rüstungskonzern ein Joint Venture mit dem staatlichen ukrainischen Waffenhersteller UkrOboronProm gründen, um Militärtechnik in der Ukraine zu warten und später auch zu produzieren. Nach Bekanntgabe dieser Pläne stiegen die Aktien des DAX-Unternehmens an der Frankfurter Wertpapierbörse um rund drei Prozent.

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