Geheimdienstchef warnt vorm Russen

Verfassungsschutzpräsident will AfD als »Handlanger des Kreml« schärfer ins Visier nehmen

Thomas Haldenwang ist Chef einer jeder demokratischen Kontrolle entzogenen Behörde, gibt aber gern den Verteidiger der Demokratie.
Thomas Haldenwang ist Chef einer jeder demokratischen Kontrolle entzogenen Behörde, gibt aber gern den Verteidiger der Demokratie.

Seit seinem Amtsantritt vor viereinhalb Jahren versucht Thomas Haldenwang das von ihm geführte Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als vom Saulus zum Paulus gewandelte Behörde zu präsentieren. Er übte wiederholt Kritik daran, dass das BfV die von Neonazis ausgehende Gefahr lange verkannt hatte. Dass nicht wenige Beamte im Apparat des Inlandsgeheimdienstes aktiv an der Verschleierung des Ausmaßes rechtsradikaler Gewalt und der Effizienz bundesweit agierender rechter Netzwerke gearbeitet und Spuren rechter Täter verwischt und vernichtet haben, sagt er jedoch nicht.

Am Montag präsentierte sich das BfV im Rahmen eines Symposiums als Verteidiger der »wehrhaften Demokratie« gegen den Einfluss des Autoritarismus, namentlich des russischen. Letzterer nutze inländische »extremistische« Organisationen wie die AfD, um seine »Narrative« zu verbreiten. Das hob Haldenwang auf einer Pressekonferenz und während des Symposiums hervor, das geladenen Gästen vorbehalten war.

Haldenwang sagte, seine Behörde nehme die AfD wegen einer »fortschreitenden Radikalisierung« schärfer ins Visier. »Der Kurs dort steht nach rechts außen«, konstatierte der BfV-Präsident. Teilen der AfD warf der Geheimdienstchef vor, als »Handlanger des Kreml« zu dienen: AfD-Vertreter verbreiteten russische Desinformation in Deutschland mit dem Ziel, die liberale Demokratie zu destabilisieren. Zugleich betonte er, dass vor allem Russland und China »gezielt Einflussnahme, Desinformation und Cyberangriffe« platzierten, »um unsere Demokratie zu schwächen«.

Vor dem Hintergrund der bisherigen Einschätzungen seiner Behörde zu Teilen der AfD betonte Haldenwang: »Umso schärfer müssen wir jeden Verdacht prüfen, dass auch in den Parlamenten – und damit im Blutkreislauf der Demokratie – extremistische Bestrebungen Platz nehmen können.« In seiner Rede auf dem Symposium erklärte er: »Wir werden nicht müde zu betonen, dass die Brandstifter und Stichwortgeber von Hass, Hetze und Extremismus von uns nach genauer Prüfung auch so benannt werden.«

Besorgt zeigte sich Haldenwang darüber, dass AfD-Bundestagsabgeordnete und deren Mitarbeiter Zugang zu sensiblen Informationen im Geheimdienst- und Sicherheitsbereich haben. Er rief den Bundestag zu einer Diskussion darüber auf, wie »mit erwiesen extremistischen Personen« im Parlament umzugehen sei. Zudem regte er eine stärkere Überprüfung von Mitarbeitern von Abgeordneten an.

Haldenwang zufolge betreiben autoritäre Staaten großen technischen und propagandistischen Aufwand, um demokratische Gesellschaften zu destabilisieren. Dabei werde »Desinformation direkt an verschwörungsgläubige und extremistische Spektren an den politischen Rändern der Gesellschaft adressiert«, von wo sie »aus eigener Motivation über eigene Kanäle aufgegriffen, weiterverbreitet und in der Wirkung verstärkt« werde. Gerade aus der AfD heraus würden »russische Narrative weitergegeben« und werde »Putins Lied gesungen«. So werde etwa die Kreml-Darstellung verbreitet, Russland habe sich durch den Angriff auf die Ukraine gegen den Westen schützen müssen.

Nach Einschätzung von Haldenwang bereitet sich Russland auf »direkte Cyberangriffe auch in Deutschland« vor. »Es besteht das erhöhte Risiko von Sabotagehandlungen«, sagte er. Man sehe »Vorbereitungshandlungen, dass man versucht, die IT bestimmter Versorgungsunternehmen auszuspähen«, um später Angriffe starten zu können, etwa auf Kraftwerke, Wasserversorgung, Krankenhäuser und Verkehrsnetze. Es sei eine »gesamtgesellschaftliche Aufgabe, unsere wehrhafte Demokratie zu schützen«, so der BfV-Chef. Derzeit kämen die russischen Kräfte für Cyberangriffe vor allem in der Ukraine zum Einsatz. Für den Fall, dass diese gegen Deutschland gerichtet würden, sei man indes »gut aufgestellt«.

Die chinesischen Aktivitäten scheinen Haldenwang zufolge vergleichsweise harmlos zu sein. Der Volksrepublik gehe es derzeit vor allem um das Abschöpfen von technischem Know-how, sagte er. Er geht gleichwohl von einer »hohen Intensität« bei den Aufklärungsaktivitäten der chinesischen Nachrichtendienste aus. Für das »erklärte Ziel der globalen, politischen, militärischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Führungsrolle« setze Peking aber »für Spionageoperationen unverändert enorme menschliche und finanzielle Ressourcen ein«. Zu beobachten seien auch im Fall Chinas komplexe Cyberangriffe, zugleich gebe es »ein gesteigertes Interesse an der Ausspähung der deutschen Politik auf allen Feldern«, sagte Haldenwang.

Das Fazit des Geheimdienstchefs: »Während sich Moskaus Revanchismus als aggressiv und militaristisch demaskiert hat, handelt Peking weitaus diskreter, strategischer und mit langfristiger Zielsetzung.«

Im Wettstreit der Systeme steht der Westen nach Einschätzung des BfV-Präsidenten aber gut da: »Unsere Gegner verteidigen die Freiheit eines Regimes vor seinen Untertanen. Wir verteidigen die Demokratie und die Würde freier Bürger.«

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