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In Kambodscha klebt Premier Hun Sen an seinem Amt
Der kambodschanische Regierungschef stellt seine politischen Gegner vor Wahlen kalt
Die Kambodschaner*innen wählen am 23. Juli ein neues Parlament. Mehr als zehn Parteien stellen sich zur Wahl, aber zu einem Machtwechsel in Phnom Penh wird es kaum kommen: Zu dominant ist die Stellung der seit Jahrzehnten tonangebenden Kambodschanischen Volkspartei (CPP), zu ungleich verteilt sind die Aktions- und Werbemöglichkeiten zwischen der faktischen Staatspartei und allen oppositionellen Gruppen.
Doch fünfeinhalb Jahre, nachdem die Nationale Rettungspartei (CNRP) als damals einzig relevante Opposition per Gerichtsurteil aufgelöst wurde, hatte zuletzt vor allem die liberale Candlelight Party (CP) deutlichen Zulauf – und sich bei den Wahlen Chancen auf ein paar Mandate ausgerechnet. Die CP, die aus formalen Gründen wegen unvollständiger Papiere nicht zur Wahl zugelassen wurde, ist zwar keine direkte Nachfolgerin der CNRP. Doch zumindest viele, die einst dort ihre politische Heimat hatten und weiter politisch aktiv sein wollten, hatten sich der aufstrebenden Kraft angeschlossen, die erst Anfang 2022 gegründet wurde. Das betrifft auch Vizechef Son Chhay: Der 67-Jährige saß bereits von 2003 bis 2017 im Parlament, als die CNRP bei den Wahlen 2013 auf ihrem Höhepunkt immerhin 55 der 125 Sitze erringen konnte. Parteivorsitzender Teav Vannol ist ein früherer oppositioneller Senator.
Obwohl Vannol wie bei einem Kongress mit 7000 Delegierten im Februar in Siem Reap die eigene Basis auf einen möglichen Wahlsieg eingeschworen hatte, war dies mehr Selbstermutigung als realistische Aussicht. Immerhin hatte die Candlelight Party bei den Kommunalwahlen im Juni 2022 aus dem Stand 22,3 Prozent der Stimmen geholt – und sich so bei dieser faktischen Generalprobe für die nun anstehende Parlamentswahl die Poleposition unter den oppositionellen Gruppierungen gesichert. In der Folgezeit rückte die zur Dachorganisation Council of Asian Liberals gehörende Partei mit drei anderen liberalen Gruppen enger zusammen.
Das angeschobene Projekt einer »Political Alliance 2023« mit Grassroots Democratic Party (GDP), Khmer Will Party (KWP) und Cambodian Reform Party (CRP) scheiterte aber, als die CP-Führung im September erklärte, für ein formelles Wahlbündnis bliebe nicht ausreichend Zeit. Man wolle zwar die grundlegende Zusammenarbeit nicht beenden, aber bei der Wahl allein antreten, hieß es. Der Politikwissenschaftler Em Sovannara hatte diesen Schritt seinerzeit gegenüber der Tageszeitung Phnom Penh Post als strategischen Fehler für die Wahlaussichten der Hun-Sen-Gegner bezeichnet.
Der starke Mann in Phnom Penh regiert mit kurzer Unterbrechung seit 1985. Viele Einwohner*innen des demografisch jungen Landes haben nie einen anderen Regierungschef kennengelernt. Die lange CPP-Herrschaft hat für Filz und verkrustete Strukturen gesorgt. Mittlerweile gibt es eine neue Generation politisch Aktiver, die gegen Korruption, Selbstbereicherung und autoritären Führungsstil aufbegehren, dabei aber ebenso Distanz halten zu den umstrittenen früheren Oppositionsführern. Der letzte CNRP-Parteichef Kem Sokha war erst Anfang März in einem wegen der Corona-Pandemie mehrfach verzögerten Gerichtsurteil wegen »Hochverrats« in einem vermeintlichen Umsturzversuch zu 27 Jahren Hausarrest verurteilt worden. Sein einstiger Co-Chef Sam Rainsy hat sich schon vor Jahren ins Exil abgesetzt, von wo er regelmäßig gegen die Regierung giftet und große Töne einer vermeintlichen baldigen »triumphalen« Heimkehr spuckt – von den meisten aber nicht mehr ernst genommen wird.
Eine breite Oppositionsallianz hätte zumindest ein Achtungszeichen setzen und der Regierungspartei CPP Sitze abnehmen können. Hun Sen, der im August 71 wird und weiter Premier bleiben will, sitzt aber fest im Sattel. Er ist dabei, seinen Sohn Hun Manet (45) als Nachfolger aufzubauen: Dieser gehört der Parteiführung an, ist kürzlich zum Vier-Sterne-General aufgestiegen und seit 2018 Armeechef; er führt die CPP-Kandidatenliste an. 9,7 Millionen Menschen sind am 23. Juli wahlberechtigt. Zwar werden 18 Parteien antreten, doch die CP war die einzige oppositionelle mit landesweiten Strukturen. Die Kleinparteien können die entstandene Lücke nicht füllen. Die Candlelight Party hat Einspruch gegen die Entscheidung angekündigt – aussichtsreich ist das aber nicht.
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