Wortgefecht im Schlosstheater

Potsdam richtet die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft aus

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Niveau von Landtagsdebatten in Brandenburg lässt oft zu wünschen übrig. Linksfraktionschef Sebastian Walter sticht heraus. Auch andere Fraktionen haben den einen oder anderen guten Redner. Doch es dominiert das Mittelmaß. Bei manchem Hinterbänkler können die Zuhörer froh sein, wenn er nicht allzu oft ans Mikrofon tritt. Die vorgebrachten Argumente sind meist vorhersehbar, die abgelassenen Phrasen schwer erträglich. Kein Wunder: Abgeordnete qualifizieren sich nicht durch rhetorische Fähigkeiten und kluge Bemerkungen fürs Parlament. Sie werden oft nur deshalb für eine Wahl nominiert, weil sie eine Ochsentour durch die Parteihierarchie absolviert haben und gut vernetzt sind.

Wenn sich jedoch ab diesem Freitag vier Tage lang Regierungs- und Oppositionsfraktionen in Potsdam Kontra geben, verspricht es viel interessanter und unterhaltsamer zu werden. Denn der Wortgefechte Hochschul-Debattierclub Potsdam e.V. organisiert am Campus Griebnitzsee erstmals die diesjährige Deutschsprachige Debattiermeisterschaft und ist mächtig stolz darauf. »Die Ausrichtung dieser Meisterschaft als eine der bedeutsamsten und größten Veranstaltungen innerhalb der deutschsprachigen Debattierszene ist für uns eine große Ehre«, sagt Vereinssprecherin Ulrike Leder.

Mehr als 200 Studierende und Promovierende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz treten in Teams gegeneinander an. Das Finale findet am Montag ab 14.30 Uhr im Schlosstheater des Neuen Palais im Park Sanssouci statt. Für simulierte Parlamentsdebatten ist dies ein überraschender Ort, immerhin ließ sich mit Friedrich II. ein absolutistischer Preußenkönig dieses prächtige Theater erbauen. Aber sei’s drum: Nun dient es also einmal als Schule der Demokratie.

Die Fraktionen, die sich Rededuelle liefern und von einer Jury bewertet werden, bestehen aus je drei Personen. Sie erhalten ein Thema, 15 Minuten Vorbereitungszeit und 14 Minuten Rederecht. Ob sie zu einem Sachverhalt die Pro- oder Kontra-Haltung einnehmen, wird zugelost. So sind die Regeln, die seltsame Blüten treiben können.

Ein Beispiel: Die Potsdamer Wortgefechte-Mannschaft gewann 2011 die ostdeutsche Hochschulmeisterschaft im Debattieren. Moritz Kirchner, Markus Heilig und Florian Umscheid schlugen im Finale eine deutsche Fremdenlegion vor, in der Straftäter Gelegenheit hätten, durch Heldentaten an der Front Sühne für ihre Verbrechen zu leisten – eine extrem zweifelhafte Idee. »Das ist mir ein bisschen peinlich«, gestand Kirchner hinterher. »Privat wäre ich natürlich dagegen.« Seinerzeit gehörte der Psychologe und Kommunikationstrainer noch der Linken an. 2018 ist er ausgetreten – unter anderem wegen der seiner Ansicht nach verfehlten Russlandpolitik der Sozialisten. Später schloss er sich den Grünen an. 2014 war Kirchner Halbfinalist bei der Debattierweltmeisterschaft, 2015 Deutscher Vizemeister und 2018 Vizemeister im Science Slam, bei dem wissenschaftliche Sachverhalte unterhaltsam dargeboten werden. Dem Verein Wortgefechte gehört er formal noch an, kommt aber nicht mehr dazu, sich dort einzubringen.

Auch wenn bei den Turnieren spielerisch Ansichten vertreten werden, die der Einzelne gar nicht teilt, haben die Debattierclubs und -meisterschaften doch ihren Wert. Denn die Studierenden üben dabei nicht nur, einen Vortrag optimal zu strukturieren. Sie erlernen auch Respekt und Kompromissfähigkeit, meint Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Sie ist Schirmherrin der Meisterschaft in Potsdam und sagt: »In einigen öffentlichen Debatten vermisse ich die Streitkultur. An die Stelle von Argumenten treten zu oft Empörung oder sogar Beschimpfungen.« Menschen ziehen sich laut Bas in ihre Blasen zurück, wollen keine anderen Meinungen hören, nicht miteinander streiten – »zum Schaden unserer Demokratie«. Bei der Debattiermeisterschaft schulen die Teilnehmer nicht nur rhetorische Fähigkeiten, ist Bas überzeugt. »Mindestens genauso wichtig: Sie lernen, genau zuzuhören und auf die Argumente der anderen Seite einzugehen. Unsere Demokratie lebt davon.«

Bärbel Bas kann selbst nicht vor Ort sein, wie sie bedauert. Erwartet werden aber Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), die Journalistin Melanie Amann vom Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«, CDU-Pressesprecherin Isabelle Fischer und Videoproduzent Alexander Prinz, bekannt geworden unter seinem Pseudonym »Der dunkle Parabelritter«. Die vier gehören beim Finale zur Jury.

Wortgefechte ist der Debattierclub der Universität Potsdam. Der Verein besteht seit mehr als 15 Jahren. »Wir sind eine bunte Truppe, quer durch alle Studiengänge«, heißt es in einer Selbstdarstellung. »Auch Menschen, die nicht, nicht mehr oder noch nicht studieren, sind bei uns aktiv und willkommen. Gemeinsam debattieren wir jede Woche.«

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