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- Freispruch für Mexikanerin
Mexiko: Legitime Notwehr gegen Vergewaltiger
Roxana Ruiz wird vom Vorwurf exzessiver Gewalt freigesprochen
Roxana Ruiz kann durchatmen, ob aufatmen ist noch nicht ganz sicher. Eine Woche nachdem sie zu sechs Jahren Gefängnis und 285 000 Pesos (15 000 Euro) Entschädigung der Familie des Angreifers verurteilt wurde, stellte die zuständige Richterin auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Strafverfahren am 23. Mai ein. Ruiz hatte den Angreifer ermordet, der sie in ihrem Haus vergewaltigt und mit dem Tod bedroht hatte. Die Angehörigen des getöteten Mannes können allerdings noch Berufung einlegen.
»Ich bereue, was ich getan habe. Aber wenn ich es nicht getan hätte, wäre ich heute tot«, sagte Ruiz in einem Interview mit »El País«. Sie habe trotz allem Mitleid mit der Mutter ihres Angreifers: »Ich hatte nicht vor, den Sohn dieser Frau zu töten, aber ich wollte in dieser Nacht auch nicht sterben. Ich wollte meinen Sohn nicht als Waise zurücklassen«, sagte sie. Ihr Sohn ist fünf Jahre alt, sie bekam ihn mit 18 in einer von Gewalt geprägten Beziehung mit einem Mann, der sie schlug und ihr das Wenige, was sie als Straßenverkäuferin verdiente, wegnahm. Es dauerte lange, bis sich die indigene Frau aus Oaxaca von ihm lösen konnte.
Vor Gericht kam sie wegen eines Vorfalls mit einem Bekannten 2021 in Mexiko-Stadt, der sich über Nacht bei ihr einquartierte, um sich einen langen Nachhauseweg zu sparen. Sie gab ihm eine Matratze auf dem Boden und wachte später in ihrem Bett unter ihm auf und wehrte sich. Der Vorwurf an Ruiz: exzessive Selbstverteidigung. Nach Ansicht der Richterin hätte »ein Schlag auf den Kopf« ausgereicht, um sich zu verteidigen, hieß es bei einer Anhörung. Ruiz hatte den bewusstlosen Vergewaltiger mit einem T-Shirt erdrosselt. Die Staatsanwaltschaft zog einen anderen Schluss: legitime Notwehr mit Todesfolge.
Ruiz hofft nun, dass der Alptraum ein Ende hat: »Mein Sohn fragte mich jeden Tag, wann wir uns wiedersehen werden, wann wir glücklich sein werden, aber ich habe Angst, dass sie ihm etwas antun könnten.« Die Familie des Angreifers ist gemeint und sie ist nun am Zug: Berufung oder nicht.
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