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Präventivhaft in Berlin: Nur für Terroristen
Bei der Verlängerung des sogenannten Unterbindungsgewahrsams geht es ständig um die Letzte Generation – das stört auch Teile der SPD
»Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir bringen unseren Protest auf die Straße. Auch und vor allem weiterhin in Berlin«, teilt die Letzte Generation am Dienstag in einer Pressemitteilung mit. Am Mittwoch wollen die Klimaaktivist*innen erneut einen Protestmarsch in der Hauptstadt veranstalten, neue Klebeaktionen sind laut Presseberichten für Anfang Juni geplant.
Im Versuch, die Blockaden einzudämmen, setzt der schwarz-rote Senat auf die Strenge des Gesetzes. Helfen soll nicht zuletzt die im neuen Koalitionsvertrag festgeschriebene Verlängerung des Präventivgewahrsams von 48 Stunden auf fünf Tage. So zumindest ließen sich Ansagen der SPD-Innensenatorin Iris Spranger verstehen, deren Pläne nun durch einen Beschluss auf dem Landesparteitag der Sozialdemokrat*innen Widerworte erhalten.
Die Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag hat für einen Antrag des SPD-Think-Tanks Forum Netzpolitik gestimmt, in dem gefordert wird, die Ausweitung vom Kontext der Letzten Generation zu lösen. »Haft ohne Strafprozess muss die absolute Ausnahme im Rechtsstaat bleiben und darf keinen Sanktionscharakter bekommen«, heißt es darin unter anderem. Eine Erhöhung dürfe nur für solche Fälle erfolgen, in denen terroristische Straftaten verhindert würden. Auch eine Auflockerung der Voraussetzungen für Präventivhaft lehnen die Antragsteller*innen ab.
Nicht unterschrieben hat Jan Lehmann, Rechtsexperte der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Auch er rät gegenüber »nd« davon ab, die Verlängerung der Präventivhaft als Maßnahme gegen die Letzte Generation zu verstehen. »Kein Richter würde beschließen, einen Klimaaktivisten der Letzten Generation länger als 48 Stunden festzuhalten«, sagt Lehmann. Bei allem, was darüber hinausgehe, könne eigentlich nur im Zusammenhang mit besonders schweren Straftaten und Terror argumentiert werden. »Schon jetzt ist mir in Berlin kein Fall über 24 Stunden bekannt.« Selbst eine Einstufung der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung, vermutet der SPD-Politiker, würde an der Beurteilung durch die Gerichte kaum etwas ändern. Es gelte immer der Einzelfall.
Was Lehmann am Antrag des Forums Netzpolitik kritisiert, ist der Zeitpunkt. Dem noch jungen Senat müsse erst einmal eine Chance gegeben werden: »Ich würde den Entwurf der Innenverwaltung abwarten, ohne direkt weitere Bedingungen zu stellen. Wir sollten über den Klimaschutz reden, nicht über die Verlängerung.« Einen größeren Konflikt in der Partei befürchtet der Abgeordnete nicht. Schon auf dem Landesparteitag 2019, kurz nach dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche, habe man sich gemeinsam für eine mögliche Präventivhaft von bis zu sieben Tagen geeinigt. »Generell gilt gerade, was im Koalitionsvertrag steht.«
In der Opposition stoßen die Pläne für eine Verlängerung auf Missfallen. Beim Grünen-Abgeordneten Vasili Franco sorgt der Beschluss auf dem SPD-Landesparteitag nicht gerade für Hoffnung. »Der Antrag ist gut gemeint, ich wage aber zu bezweifeln, dass er irgendwelchen Einfluss haben wird«, sagt der innenpolitische Sprecher seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus zu »nd«. Da die Ausweitung des Gewahrsams nicht generell ausgeschlossen werde, bestehe ein zu großer Spielraum. Inhaftnahmen würden zurecht als eine der tiefsten Eingriffe in das Recht auf persönliche Freiheit gelten. Auch Franco erinnert daran: »Die Präventivhaft war als Maßnahme für die Terrorismusbekämpfung vorgesehen. Beim Protest durch Klimaaktivist*innen ist sie das falsche Mittel – erst recht, wenn alles friedlich stattfindet.«
Innensenatorin Spranger wirft der Grünen-Politiker vor, die Präventivverwahrung bewusst auf die Letzte Generation zu beziehen, um bei genervten Berliner*innen mit Populismus zu punkten. Das Vorgehen der Sozialdemokratin sei »gefährlich«, die hohen Hürden für die Präventivhaft herabzusetzen, schwäche den Rechtsstaat. »Die Leute sollen denken, dass es der Letzten Generation jetzt richtig an den Kragen geht«, sagt Franco. »Dabei betrifft die Maßnahme nur einen kleinen Teil der Gruppe und ist natürlich nicht das Allheilmittel, als das es verkauft wird.«
Die Präventivhaft findet im Grunde nur bei Wiederholungstäter*innen Anwendung. Ihre Voraussetzungen werden im polizeilichen Abwehrrecht, nicht im Strafrecht geregelt. Bei der Einzelfallbeurteilung spielt die Verhältnismäßigkeit eine große Rolle. Franco führt aus: »Einen Freiheitsentzug für Menschen zu fordern, die sich einfach nur auf die Straße kleben, ist höchst problematisch.« Allein der Polizei die Arbeit zu erleichtern, sei verfassungsrechtlich kein Argument. »Die Letzte Generation müsste sich einmal durch die Instanzen klagen. Die Grenzen des Protests können wohl erst durch höchstrichterliche Rechtsprechung klar vorgegeben werden.«
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