• Politik
  • Spannungen auf dem Balkan

Pristina zündelt in Nordkosovo

Schwere Zusammenstöße zwischen militanten Serben und der Nato-geführten Schutztruppe KFOR

  • Roland Zschächner
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war eine absehbare Eskalation: Am Montagnachmittag kam es in der nordkosovarischen Stadt Zvečan zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Einsatzkräften. Dutzende Menschen auf beiden Seiten wurden dabei verletzt, teilweise mussten sie im Krankenhaus behandelt werden.

Zu den Protesten hatten sich Angehörige der serbischen Bevölkerungsgruppe versammelt. Diese stellt in der Gegend die Mehrheit. Ihr wird von der Regierung in Pristina ein albanischer Bürgermeister vor die Nase gesetzt, was militante Serben nicht hinnehmen wollen. Seit Ende der vergangenen Woche blockieren sie deshalb das Gebäude der Gemeindeverwaltung.

Den Demonstranten standen erst Spezialeinheiten unter kosovarischem Befehl gegenüber, was eine Provokation darstellte. Nachdem sich die Lage immer weiter hochgeschaukelt hatte, rückten schließlich Soldaten der Nato-geführten Kosovo-Truppe (KFOR) an. Doch das Eingreifen der ungarischen und italienischen Soldaten sorgte nicht für eine Beruhigung. Schockgranaten und Tränengas schossen sie in die aufgebrachte Menge, aus der Steine und Flaschen flogen. Autos wurden attackiert und gingen in Flammen auf.

Am Dienstag wurden die Proteste in drei Gemeinden im Norden des Landes fortgesetzt. Dabei blieb es vorerst friedlich. Doch die Situation bleibt angespannt. Davon zeugen die Aufrufe westlicher Diplomaten. In einer am Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der Vertretungen Frankreichs, Deutschlands, Italiens, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten sowie der Europäischen Union im Kosovo heißt es: »Wir verurteilen die Entscheidung des Kosovo, sich trotz unserer wiederholten Aufrufe zur Zurückhaltung gewaltsam Zutritt zu kommunalen Gebäuden im Norden des Kosovo zu verschaffen.« Man erwarte von der Regierung in Pristina, dass sie keine weiteren derartigen Maßnahmen ergreife.

Im derzeitigen Konflikt geht es um die vier serbischen Gemeinden Leposavić, Zubin Potok, Zvečan und Kosovska Mitrovica. Dort hatte die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti am 23. April Kommunalwahlen abhalten lassen, nachdem sich im vergangenen November aus Protest massenhaft Serben aus den kosovarischen Institutionen zurückgezogen hatten. Zuvor hatte Pristina verboten, dass die Serben im Norden ihre Fahrzeuge mit serbischen statt kosovarischen Nummernschildern ausstatten.

Die Abstimmung wurde von den serbischen Parteien boykottiert. Da die Wahlbeteiligung gegen null ging, reichte formal mitunter eine einzige Stimme für den Einzug in die Gemeinderäte. Trotz der nicht vorhandenen demokratischen Legitimation beharrte Pristina darauf, dass die nun albanischen Bürgermeister ihr Amt antreten; Ende der vergangenen Woche zogen sie unter Polizeischutz in die Gebäude ein.

Die serbischen Gemeinden sind ein Streitpunkt in den von der Europäischen Union begleiteten Gesprächen zwischen Belgrad und Pristina. Bereits in der Brüsseler Übereinkunft von 2013 wurde vereinbart, dass ein Verbund der serbischen Gemeinden gebildet werden soll.

Doch die kosovarische Seite stellt sich dem entgegen. Im Februar und März verständigten sich der serbische Präsident Aleksandar Vučić und Kurti auf dem Papier über Schritte zur »Normalisierung der Beziehungen«. Dazu gehört auch die kommunale Selbstverwaltung der serbischen Minderheit. Doch Kurti bekämpft dieses Vorhaben, wo er kann – wie unlängst mit den aufgedrückten Kommunalwahlen.

Für Vučić steht fest: »Kurti will einen großen Konflikt zwischen Serbien und der Nato.« Das erklärte der Staatschef am Montagabend in Belgrad vor der Presse. Zugleich rief er die westlichen Staaten dazu auf, Druck auf Kurti auszuüben, um den Frieden in der Region zu sichern.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastić hat sich im März selbst ein Bild von der Lage in der Region gemacht. »Kurti muss jetzt endlich zur Besinnung kommen, den Dialog wieder aufnehmen und die Polizeikräfte zurückziehen«, betont sie gegenüber »nd«. Ansonsten drohe »das von der Nato hinterlassene Pulverfass Kosovo erneut zu explodieren – mit unabsehbaren Folgen.«

Während in dem am vergangenen Freitag vom Bundestag angenommenen Antrag zur Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Kosovo die dortige Sicherheitslage noch als »überwiegend ruhig und stabil« eingestuft wurde, will die Nato nach den Protesten nun zusätzliche Soldaten im Kosovo stationieren.

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