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Irland: Sinn Féin im Aufwind
Die gesamtirische Partei orientiert sich erfolgreich Richtung Mitte
Die republikanische Partei Sinn Féin (SF) ist stärkste Kraft in den Umfragen. Doch sollte sie die anstehenden Wahlen gewinnen, benötigt sie Koalitionspartner, um zu regieren. Statt diese links der Mitte zu suchen, gibt sie zunehmend ihr progressives Programm auf, um für die konservativen Parteien, Fianna Fáil und Fine Gael, akzeptabel zu werden. Besonders in außenpolitischen Fragen ist dies ersichtlich: Ähnlich wie die konservativ-grüne Regierung stellt SF die Neutralität infrage.
Laut »Irish Times« vom 13. Mai plant SF nicht mehr, die sogenannte Nato-Partnerschaft für den Frieden (PFP) und das EU-Militärbündnis »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit« zu verlassen. Der außenpolitische Sprecher Matt Carthy bestätigte dies auf IT-Anfrage. Ein anderer Parteivertreter sagte der IT, SF versuche, die eigene Politik »auf eine zeitgemäße Weise zu verfeinern«. Es gehe nicht darum, lang gehegte Positionen zu verwerfen, sondern »darum, was machbar ist«.
Ende Mai weigerte sich dann die SF-Präsidentin Mary Lou McDonald während eines Brüssel-Besuchs auf Journalistenfragen zu antworten, ob ihre Partei weiterhin Teil der linken Fraktion GUE/NGL im EU-Parlament bleiben werde. McDonald meinte nur, es sei eine Frage, »wo unser Einfluss am Größten ist und wir unsere Interessen am Besten durchsetzen können«.
Abkehr aus der linken Fraktion?
Auch die »Irish News« berichtete, dass SF sich der sozialdemokratischen Fraktion S&D anschließen möchte. Diese hat seit 2019 keine irischen Abgeordneten mehr. Eine Rückkehr der irischen Labour nach Brüssel ist unwahrscheinlich. Stattdessen will SF diesen Platz einnehmen, um bei künftigen Koalitionsverhandlungen in Dublin mehr Gewicht zu bekommen.
Den politischen Wandel erkennt auch der unabhängige Parlamentsabgeordnete Thomas Pringle. Er ist der Sohn eines republikanischen Gefangenen und vertritt seit 2011 die Grafschaft Donegal im äußersten Nordwesten der Insel im Parlament. Gegenüber »nd« betont er, dass es bei den nächsten Wahlen »erstmals die reale Chance für eine linke Regierung in Irland gibt«.
Er glaubt, dass eine derartige Regierung, angeführt von SF in einer Koalition mit den beiden sozialdemokratischen Parteien Labour und SocDems, den Trotzkisten, Grünen und linken Unabhängigen, wie ihn selbst, »ein großes Potenzial für echte Veränderungen« hätte. So könnten die Probleme des Landes angegangen werden: Wohnungsnot, Mietpreisexplosion, Gesundheitssystem, öffentlicher Verkehr und Klimawandel.
»SF will das nicht«, sagt er enttäuscht, »sie streben stattdessen eine Koalition mit den konservativen Parteien des politischen Establishments an.« Dafür würden sie bereits jetzt ihre politischen Positionen jenen der konservativen Parteien angleichen: »Normalerweise werfen die Parteien ihre Wahlversprechen und Prinzipien erst nach dem Eintritt in eine Regierung über Bord«, so Pringle, »doch bei SF ist es anders: Sie geben bereits jetzt alles auf, in der Hoffnung, vom politischen Establishment aufgenommen zu werden und mit den Konservativen regieren zu können«.
Nordirland weist den Weg
In Nordirland ist die SF seit 2007 Teil der Regierung. Dort ist die Situation ähnlich. Farrah Koutteineh ist eine in Belfast lebende Palästinenserin, die bis Anfang Mai 2023 Parteimitglied war. Kurz nach dem Ende ihrer Mitgliedschaft schrieb sie im Onlinemagazin »New Arab«, SF würde wie viele andere Parteien, die ihre Wurzeln im Befreiungskampf haben, ihre »moralischen Werte über Bord werfen, um gewählt zu werden«.
Damit will die Partei ansprechend für die Mittelschicht werden: »Seit sie (in Nordirland) an die Macht kam, hat sie immer für Austerität gestimmt, Politik im Sinne von Vermietern und Grundbesitzern gemacht und das Leben der arbeitenden Menschen verschlechtert«, so Koutteineh.
Auch in der Palästina-Frage verwässert sich die Position von SF zunehmend, was Koutteineh als gebürtige Palästinenserin besonders enttäuscht. Seit Juni 2016 schmiedet der ehemalige IRA-Hungerstreikende und jetzt Abgeordnete für Westbelfast, Pat Sheehan, enge Kontakte zur israelischen Likud-Partei. Mehrmals traf er Likud-Delegationen und lud Mitglieder nach Belfast ein.
Die historischen Wandgemälde von PLO-Kämpfern an der Seite der IRA dienen nur noch als Fotomotive für Touristen. Und um der Partei ein linkes Image bei der Basis zu geben. Doch auch sie werden schrittweise übermalt. Die Politik der Partei hat sich längst gewandelt.
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