- Politik
- Italien
Brutale und korrupte Beamte in italienischer Bereitschaftspolizei
Nach Anklagen gegen kriminelle Polizisten in Verona zielt Italiens Rechte auf den Folterparagrafen
Die Untersuchungsrichter, die die ersten Anklagen vorgelegt haben, sprechen von »Folter«, von »Verletzung der Menschenwürde« und weiteren Verbrechen wie Amtsmissbrauch und Betrug. Angeklagt sind fünf Polizisten aus Verona: ein Inspektor und vier Beamte. Ihre Opfer waren alles Obdachlose und Migranten, die aus verschiedenen Gründen auf der Straße aufgegriffen und dann auf die Polizeistation gebracht worden waren.
Ein Beispiel: Ein Migrant wurde festgenommen, um ihn identifizieren zu können. Man schlug ihn und sperrte ihn dann in eine Zelle. Er bat darum, aufs Klo gehen zu dürfen. Die Antwort: »Du kannst doch in eine Ecke pinkeln ...« Als er das tat, warf man ihn auf den Boden und »benutzte ihn als Aufwischlappen« – so steht es in den Akten der Staatsanwaltschaft.
In einem anderen Fall – es handelt sich ebenfalls um einen Migranten, der »zur Identifikation« festgenommen worden war – wurde das Opfer, das ebenfalls aufs Klo wollte, aufgefordert, »doch nach oben zu pinkeln« und anschließend mit Pfefferspray malträtiert.
Aber die Polizisten, die jetzt verhaftet wurden, waren auch noch in anderer Hinsicht umtriebig. So wird berichtet, dass sie bei Hausdurchsuchungen im Fall von Waffen- oder Drogenfunden gerne ein Auge zugedrückt haben, wenn man mit den Verdächtigen »befreundet« war oder sich einen Vorteil davon versprach. Bekannt geworden ist der Fall des Türstehers einer Diskothek, in der die Polizeibeamten nach Dienstschluss gern abhingen. Bei ihm wurden Waffen »übersehen«.
Wie lange das so ging – die Untersuchungen begannen im letzten Herbst –, ist noch nicht bekannt und ebenso weiß man noch nicht, wie viele weitere Beamte in den Fall verwickelt sind: weil sie nicht eingeschritten sind, ihre Kollegen gedeckt oder die ihnen bekannten Verbrechen nicht angezeigt haben.
Bereits im Februar 2022 waren Misshandlungen untersucht worden, das hatte aber nie zu einem Ergebnis geführt. Die Staatsanwaltschaft will jetzt wissen, ob auch Vorgesetzte davon Kenntnis hatten, aber nichts unternommen haben. Die Untersuchungsrichterin Livia Magri meint, dass es Ziel der Justiz sein muss, ein »verfestigtes und von vielen geteiltes Verhaltensmuster aufzubrechen, das es bei der Bereitschaftspolizei von Verona gab.«
Viele Dinge müssen also noch geklärt werden. Aber man weiß, dass es dem großen Mut eines der Opfer zu verdanken ist, dass die Untaten dann doch ans Licht kamen, weil die Person auf ihren Rechten beharrte und eine Anzeige erstattete.
Die Reaktionen auf dieses »unglaubliche Geschehen« (so der italienische Innenminister Giuliano Piantedosi) waren und sind bezeichnend für das politische Klima im heutigen Italien. Dabei geht es auch um den Straftatbestand der Folter, der erst 2017 und nach langen unschönen Diskussionen in Italien eingeführt wurde.
Bezeichnend dafür ist ein Interview, das Flavio Tosi, ehemaliger Bürgermeister von Verona und heute Abgeordneter der Berlusconi-Partei Forza Italia, am Donnerstag dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk RAI gab. Darin fordert Tosi die »sofortige Abschaffung des Folterparagrafen«, da sich die Polizisten bekanntlich nur gegen aufmüpfiges Pack wehren würden. »Wenn ich mich zu Hause so verhalten habe, hat mein Vater mir auch eine Ohrfeige gegeben, was bekanntlich noch niemandem geschadet hat.«
Ganz anders sieht das Riccardo Noury, Sprecher von Amnesty International Italien. »Hier greift man schwache Menschen an und in vielen Fällen kommt noch ein rassistisches Motiv dazu, was das Ganze noch widerlicher macht.« Es handele sich um ein Ungleichgewicht der Kräfte »zwischen einer wehrlosen Person und einer, die sich hinter einer Uniform versteckt und dabei auf ein bestimmtes politisches Klima zählen kann.«
Noury bezieht sich dabei auf verschiedene Gesetzesentwürfe der Regierungspartei »Fratelli d’Italia« von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, mit denen der Folterparagraf geändert werden soll. »Sie sagen, dass sie das Gesetz verbessern wollen – tatsächlich aber möchten sie es abschaffen«, meint der Amnesty-Sprecher. »Diejenigen, die 30 Jahre lang versucht haben, das Gesetz zu verhindern, sind jetzt an der Regierung und haben die Mehrheit im Parlament«.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.