• Berlin
  • Protest gegen Air Defender 2023

Bombodrom: Ein aus der Luft erkennbares Friedenszeichen

150 Menschen beteiligen sich am Sonntag in der Kyritz-Ruppiner Heide an einer Friedenswanderung der Linkspartei

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Unterwegs zum Sielmann-Hügel: Und wenn nur wenige für den Frieden kämpfen, sie sollen sich nicht entmutigen lassen.
Unterwegs zum Sielmann-Hügel: Und wenn nur wenige für den Frieden kämpfen, sie sollen sich nicht entmutigen lassen.

Gut 150 Menschen bilden am Sonntagnachmittag am Sielmann-Hügel in der Kyritz-Ruppiner Heide ein Friedenszeichen. Oben vom Aussichtsturm dirigiert Linke-Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg die Mitwirkenden per Megaphon in Position. Die Leute halten sich blaue Stoffbahnen über die Köpfe. Schließlich ist das gewünschte Fotomotiv gestellt. »Jetzt so bleiben«, ruft Wollenberg. »Wir machen eine Langzeitbelichtung. Dauert zirka 30 Minuten.« Aber das ist natürlich ein Scherz. So lange müssen die Menschen nicht ausharren in der Hitze.

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Schon bei der Auftaktkundgebung zur Friedenswanderung auf dem Wanderparkplatz Pfalzheim (Ostprignitz-Ruppin) wird extra Mineralwasser ausgereicht. Bei allen Späßen hat der Termin einen sehr ernsten Anlass. An diesem Montag startet das Nato-Manöver Air Defender 2023.

»Man sollte den Frieden üben und nicht den Krieg«, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Ex-Umweltminister Wolfgang Methling (Linke). Einst nahm er hier hinter der Landesgrenze in Brandenburg an Ostermärschen und Friedenswanderungen gegen das Bombodrom teil und hielt Reden. Damals ging es darum, die Natur vor Zerstörungen durch einen Truppenübungsplatz der Bundeswehr zu bewahren, auf dem die Luftwaffe Tiefflüge und Bombenabwürfe trainieren wollte. Bis zu 10 000 Menschen wehrten sich bei Ostermärschen dagegen und hatten Erfolg. 2009 verzichtete das Verteidigungsministerium auf das Bombodrom.

Jetzt geht es ums Ganze. Ein drohender Dritter Weltkrieg muss verhindert werden. 150 Menschen jetzt statt 10 000 seinerzeit bei den Ostermärschen – das hört sich sehr bescheiden an und im Vergleich ist es in der Tat nicht viel. »Aber auch, wenn wir nur 100 wären, wäre das ein wichtiges Signal«, meint Methling. »Wir müssen an jeder Stelle gegen den Krieg kämpfen, und wenn wir alleine sind, dürfen wir nicht verzweifeln!«

Auch Peter Ritter, Linke-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, ist am Sonntag wieder in die Kyritz-Ruppiner Heide gefahren. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach den vielen Ostermärschen noch einmal kommen muss, um für den Frieden zu demonstrieren«, sagt er. »Wenn wir morgen früh aufwachen, wird unser Land ein anderes sein«, erwartet Ritter. Auch bei ihm oben an der Ostseeküste werden Militärflugzeuge über die Köpfe der Bevölkerung hinwegdonnern. Das Szenario des Nato-Luftmanövers spielt in Rostock durch, eine fremde Macht habe den Hafen erobert. Einen Gegenschlag mit konventionellen Luftstreitkräften zu üben, hält Ritter für irrwitzig. Es würde beim genannten Szenario einen Atomkrieg geben. Ritter wünscht sich Frieden und sagt das plattdeutsche Wort des Jahres: Fräden.

Für Brandenburgs Linke-Landeschefin Katharina Slanina ist die Kyritz-Ruppiner Heide ein Symbol dafür, »dass friedlicher Protest zum Erfolg führen und die militärische Logik brechen kann«. Einen Siegfrieden für die Ukraine hält sie für illusorisch. Zu dem Nato-Manöver sagt Slanina: »Wer so handelt, der spielt mit dem Feuer.« Und sie schließt: »Wir dürfen uns nie an Krieg als Mittel der Politik gewöhnen, niemals!« Didem Aydurmus vom Linke-Bundesvorstand erinnert an aktuell mindestens neun weitere Kriege, die weniger Aufmerksamkeit finden als der russische Angriff auf die Ukraine.

Zwischen den einzelnen Reden singt Uli Kirsch Friedenslieder und spielt dazu Gitarre. Im Stadtpark von Bernau sei er für die Aktion engagiert worden, erzählt der Berufsmusiker. »Ich bin stolz, hier zu spielen, weil es mir persönlich wichtig ist, gegen diesen Wahnsinn zu protestieren.« Kirsch stammt ursprünglich aus Rheinland-Pfalz und dort hat er sich in den 1980er Jahren in der Friedensbewegung engagiert. Wie damals singt er nun von Hannes Wader »Es ist an der Zeit«, also Waders Version eines irischen Songs, der von den Schrecken des Ersten Weltkriegs berichtet. Andreas Eichner singt gerührt mit. »Von Hannes Wader könnte ich alle Texte mitsingen«, sagt er. Eichner ist aus Schönefeld zur Friedenswanderung gekommen, andere Genossen wie die Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg von noch weiter südlich aus Cottbus. Als Uli Kirsch dann »Sag mir, wo die Blumen sind« anstimmt, singen fast alle mit.

»Wir werden noch öfter protestieren müssen«, erwartet Landesgeschäftsführer Wollenberg, als er vom Aussichtsturm herabgestiegen ist. Eine nächste Gelegenheit gibt es im Land Brandenburg am 17. Juni um 13 Uhr an der Alten Feuerwache von Brandenburg/Havel. Bei dieser Kundgebung richtet sich der Protest auch gegen den zeitgleichen Tag der Bundeswehr.

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