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Berliner Innensenatorin zu Polizeiskandalen: Alles Einzelfälle

SPD-Innensenatorin Iris Spranger verteidigt nach aktuellen Polizeiskandalen die Sicherheitsbehörden

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.
Würde wahrscheinlich gerne selbst Uniform tragen: Innensenatorin Iris Spranger (SPD) vor ihrem Lieblingsprojekt, der Polizeiwache am Kottbusser Tor
Würde wahrscheinlich gerne selbst Uniform tragen: Innensenatorin Iris Spranger (SPD) vor ihrem Lieblingsprojekt, der Polizeiwache am Kottbusser Tor

Irgendwann wurde Iris Spranger laut. Rechte und rassistische Vorfälle innerhalb der Polizei seien, »verdammich noch mal«, kein strukturelles Problem, behauptete die SPD-Innensenatorin am Montag im Innenausschuss. »Da können Sie hundertmal sagen, es ist ein Strukturproblem.«

Zum ersten Mal seit der konstituierenden Sitzung nach der Wiederholungswahl hat sich der Innenausschuss in neuer Zusammensetzung getroffen. Zu besprechen gab es viel. Die nun oppositionellen Fraktionen der Grünen und Linken wollten auf geplante Grundrechtseingriffe durch ein erweitertes Polizeigesetz eingehen. Doch wegen aktueller Ereignisse durften sich die Ausschussmitglieder erst einmal an der Einzelfall-Debatte abarbeiten.

Da ging es zum einen um den Polizeibeamten R., der auf seinem Facebook-Account rassistische, rechte und menschenfeindlichen Inhalte geteilt haben soll. So hetzte er nach »Tagesspiegel«-Recherchen gegen Geflüchtete und Sozialhilfeempfänger*innen, wünschte den Mitgliedern der Letzten Generation indirekt den Tod und postete Bilder der Wehrmacht. Besonders pikant: R. arbeitete im Umfeld des Gesamtpersonalrats der Berliner Polizei, der für sensible Informationen und Entscheidungen verantwortlich ist. Nach »Tagesspiegel«-Informationen war er dort ab 2020 tätig, als die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Polizei-Gewerkschaft (DPolG) die Verantwortung im Gremium übernahmen – und war mit Mitgliedern des Personalrats auf Facebook befreundet.

Mittlerweile sei R. in anderer Funktion beschäftigt, stellte die Polizeipräsidentin Barbara Slowik klar. Neben den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Volksverhetzung prüfe die Polizeibehörde arbeitsrechtliche Konsequenzen. Spranger nutzte die Chance, um sich gegen Rechts- wie Linksextremismus in den Sicherheitsbehörden zu positionieren. In allen Fällen werde konsequent ermittelt: »Die Polizei ist keine Blackbox, sondern hat sich schon seit Jahren dem gegenüber geöffnet.«

Bei dem zweiten Skandal wollte Spranger gleich gar kein Problem erkennen. Sie hält die Ermittlungen des Landeskriminalamtes Abschnitt 521 gegen den »Tagesspiegel«-Journalisten Julius Geiler im Bereich der politisch motivierten Kriminalität von links für ein Versehen. »Man hat das falsche Blatt gewählt, dadurch ist das auch beim Journalisten falsch angekommen«, bezog sie sich auf die Tatsache, dass ein Brief des LKA an Geiler mit »Linksextremismus« überschrieben war. Die betreffende Abteilung sei ebenfalls für Pressedelikte zuständig, nur gebe es dafür keine Briefkopf-Vorlagen, ergänzte Slowik.

Geiler hatte Anfang des Jahres über den Berliner Polizisten, AfD-Lokalpolitiker und mutmaßlichen Querdenker André G. berichtet. G. erstattete Anzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung, der Staatsschutz ging diesen Vorwürfen offensichtlich nach. Bei der Frage, ob diese Ermittlungen nicht bereits die Pressefreiheit einschränkten, verwiesen Spranger und Slowik lediglich auf das Legalitätsprinzip: Hinweisen auf mögliche Straftaten müsse die Polizei stets nachgehen. Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Berliner Linke-Fraktion, bemerkte auf Twitter allerdings, dass die Polizei durchaus ihre Einschätzung zur Plausibilität einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft weitergeben könne.

Ohnehin wollte Spranger partout keine Kritik an der Institution Polizei annehmen. So wies sie jegliche Bedenken von Linke und Grünen zur geplanten Aufrüstung der Berliner Polizei von sich. Fünf Punkte stechen dabei besonders hervor: Die Koalition will die Nutzung von Bodycams in Privaträumen erlauben. Mit einer Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes soll die rechtliche Hürde für Zwangsmaßnahmen sinken und dadurch die Taser-Nutzung einfacher und der »finale Rettungsschuss« rechtssicher werden. Die Koalition wünscht sich zudem die Quellen-Telekomunikationsüberwachung, also die von Datenschützer*innen stark kritisierte Überwachung von Mobiltelefonen, und plant die Videoüberwachung von kriminalitätsbelasteten Orten. Und sie will die Präventivhaft von zwei auf maximal fünf Tage verlängern.

Einen »Kurswechsel des Rückschritts, der nichts Gutes für die Grundrechte bedeutet«, nannte Schrader diese Pläne. »Mit den Ursachen von Unsicherheit wird sich nicht weiter beschäftigt.« Stattdessen gaukele die Koalition den Menschen vor, dass etwa Überwachungsmaßnahmen zu mehr Schutz führten. Schraders Amtskollege von den Grünen, Vasili Franco, ergänzte, dass auch Bodycams nicht nachweislich zu Deeskalation führten.

»Wir schränken hier keine Grundrechte ein, wir schaffen klare Rechtsgrundlagen«, erwiderte Spranger. Sie leugnete damit offensichtliche Grundrechtseinschränkungen, wenn etwa die Unverletzlichkeit der Wohnung durch polizeiliches Filmen verletzt werden soll.

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